"Todlangweiliges Thema" Israelis interessiert deutsche Bundestagswahl nicht

Viele Deutsche glauben, dass man in Israel die deutsche Politik mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Tatsächlich aber ist das Interesse an der Bundestagswahl eher gering.

In Israel ist das Interesse an der Bundestagswahl in Deutschland mau. "Dem Durchschnittsbürger ist es wirklich egal, wer an der Spitze der deutschen Regierung steht", sagt der israelische Journalist Ofer Aderet, der sich auf Deutschland spezialisiert hat. "Allgemein gelten die Wahlen in Deutschland als todlangweiliges Thema", sagt Aderet, der dennoch in der kommenden Woche nach Berlin fliegt, um für die Zeitung "Haaretz" über eben dieses Thema zu berichten.

Israel ist dafür bekannt, dass es gern Nabelschau betreibt und wenig Interesse für Nachrichten aus dem Ausland zeigt. Eine große Ausnahme seien dramatische Ereignisse, die Auswirkungen auf Israel haben könnten, erklärt Aderet. "Zum Beispiel wenn die NPD in den Bundestag gelangt oder die Linke sehr viel mehr Macht bekommt oder es anti-israelische Äußerungen gibt, dann wäre es etwas ganz Anderes."

Nach Ansicht einer Expertin wünscht sich die israelische Regierung eher einen Sieg von Kanzlerin Angela Merkel. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von der konservativen Likud-Partei "würde einen CDU-Kandidaten einem SPD-Kandidaten vorziehen", meint Esther Lopatin, Leiterin des Zentrums für Europa-Studien am Interdisciplinary Center in Herzlija.

Die meisten Israelis mögen Merkel

"Es gibt viel mehr Gemeinsamkeiten und von den Konservativen in Deutschland hat er weniger Kritik zu erwarten als von den Sozialdemokraten", sagt sie. Dies gelte, obwohl Merkel in der Vergangenheit durchaus Kritik an Israels Siedlungspolitik geäußert habe.

Nach Einschätzung des "Haaretz"-Journalisten wird Merkel in Israel als sympathisch und verlässlich, aber auch etwas blass gesehen: "Die israelische Öffentlichkeit mag Merkel, sie gilt als nette, unschädliche Persönlichkeit." Ansonsten wüssten viele nicht sehr viel über Politik und Parteien in Deutschland.

Dass Merkel bei den Wahlen vom SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück abgelöst werden könnte, sei den meisten Israelis nicht bewusst. "Die breite Öffentlichkeit kennt überhaupt nicht den Unterschied zwischen SPD und CDU", sagt der israelische Journalist. "Nur Intellektuelle und Experten wissen, welche Parteien es in Deutschland gibt."

Merkel betont die historische Verantwortung

Merkel gilt in Israel als Freund des jüdischen Staates, obwohl in der Vergangenheit über Spannungen mit Netanjahu vor allem in der Siedlungsfrage berichtet wurde. Große Beachtung fand ihre historische Rede auf Deutsch vor dem israelischen Parlament im März 2008, bei der sie die Verantwortung für Israels Sicherheit betonte. "Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes", sagte die Kanzlerin damals vor der Knesset.

Zwei Jahre zuvor hatte Israels beliebteste Satire-Show Erez Nehederet ("Ein wunderbares Land"), Merkel sogar eine eigene Figur gewidmet. Die Schauspielerin, die sie darstellte, trug eine blonde Perücke und sprach Hebräisch mit starkem deutschen Akzent. Bei einem "Interview" war der Witz, dass "Merkel" meistens sehr ruhig und freundlich antwortete, dann aber ganz unvermittelt kommandoartig und mit harter, lauter Stimme deutsch klingende Sätze herunterratterte.

Diese Darstellung ähnele auch dem Deutschland-Bild in Israel, meint Aderet: "Ein Israel sehr freundschaftlich verbundenes Land mit einer Nazi-Vergangenheit, die plötzlich hervorbrechen kann."

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ds/Sara Lemel, DPA