Zehntausende Menschen haben am Samstag in Washington der berühmten Rede "I Have a Dream" des Bürgerrechtlers Martin Luther King vor 50 Jahren gedacht. Kings Sohn Martin Luther King III. forderte in einer Ansprache am Fuße des Lincoln Memorial weitere Anstrengungen zur Überwindung von Rassismus und Ungleichheit. Die eigentliche Zeremonie findet am kommenden Mittwoch statt, dem Jahrestag der Rede vom 28. August 1963.
Zahlreiche Redner legen bei den Demonstrationen in der US-Hauptstadt ein halbes Jahrhundert nach dem historischen Ereignis den Finger in die Wunde. Immer noch ist die Arbeitslosigkeit in der schwarzen Bevölkerung fast doppelt so hoch wie die der Weißen. Fast 40 Prozent der Gefängnisinsassen sind schwarz, obwohl ihr Bevölkerungsanteil nur bei rund 13 Prozent liegt. Das sind nur zwei von vielen Fakten, die an diesem Tag aufgeführt werden.
Zahlreiche Bürgerinitiativen hatten zu der Demonstration aufgerufen. Zehntausende sind gefolgt, wie viele genau, kann niemand sagen. Damals, vor 50 Jahren, waren es schätzungsweise 250 000. Offizieller Jahrestag ist der 28. August, der kommende Mittwoch. Dann wird US-Präsident Barack Obama als Höhepunkt einer ganzen Serie von Gedenkveranstaltungen eine Rede halten.
Größtenteils lockere Feststimmung
Am Samstag feiert das Volk. Auf der Mall, der Museumszeile zwischen dem Lincoln-Denkmal und dem Washington Monument, drängen sich die Menschen. Viele haben ihre Kinder mitgebracht, Picknickdecken sind ausgebreitet, Campingstühle aufgestellt. Musik schallt von der Bühne. Bei allem Ernst der Botschaften herrscht größtenteils lockere Feststimmung. Souvenirverkäufer bieten T-Shirts und Programmhefte an, Wasser wird kostenlos verteilt, es ist ein heißer Tag in Washington. Auf mehreren Leinwänden sind die Redner zu sehen, Lautsprecher transportieren ihre Worte.
Auch Don Williams hat es sich mit seinem Campingstuhl unter einem Baum bequem gemacht. Er war gerade sieben Jahre alt, als Martin Luther King auf den Stufen des Lincoln-Mahnmals sprach. Williams hat als Schwarzer in seiner Jugend im tiefen Süden der USA selbst erlebt, was die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung bedeutete. "Ich habe 1974 die Universität von Georgia besucht, und da gab es immer noch diese Atmosphäre, dass man nicht dazugehört", erzählt er. "Das ist heute nicht mehr so. Es gibt also Veränderung."
"Keine Gerechtigkeit - kein Frieden"
Immer wieder brandet Applaus auf. Obwohl jeder Redner nur wenige Minuten Zeit hat, schaffen es viele, die Menge mitzureißen. Die Botschaft, die sich wie ein Faden durch die Ansprachen zieht: Der Kampf muss weitergehen. Häufig wird Trayvon Martin erwähnt, ein schwarzer Jugendlicher, der von einem Bürgerwehr-Mitglied in Florida erschossen wurde. Vor Gericht wurde der Täter freigesprochen, er hatte Notwehr geltend gemacht. Wütende Zwischenrufe sind zu hören, als das auf der Bühne erwähnt wird.
Überall sind Schilder zu sehen mit Aufschriften wie "Keine Gerechtigkeit - kein Frieden" oder "Jobs, nicht Gefängnis". Auch Gruppen, die für die Rechte Homosexueller oder das Recht auf Abtreibung eintreten, sind gekommen. Selbst auf die Fächer, mit denen sich viele abkühlen, sind Forderungen gedruckt.
Kurz, bevor sich die Menge nach den Reden zum Marsch vom Lincoln-Denkmal zum Washington Monument aufmacht, wird es plötzlich sehr ruhig. Die Mutter von Trayvon Martin, Sybrina Fulton, tritt auf die Bühne. "Trayvon Martin war mein Sohn, aber nicht nur mein Sohn", sagt sie. "Er ist unser aller Sohn, und wir müssen für unsere Kinder kämpfen."