Den Griechen geht es ans Eingemachte: Das Parlament in Athen hat ein neues Sparpaket verabschiedet - tief in der Nacht, denn die Abgeordneten tauschten sich zuvor in einer langen, erhitzten Debatte aus. Es ist nicht der erste Sparhammer, der die krisengeplagten Griechen in diesem Jahr trifft. Bereits im Mai hatte die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou ein gewaltiges Sparpaket verabschiedet. Jetzt verschärft die sozialistische Regierung den Sparkurs weiter, das Milliardendefizit soll noch stärker abgebaut werden.
Das Paket beinhaltet unter anderem:
- eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Waren wie Nahrungsmittel von elf auf 13 Prozent
- eine Nullrunde für viele Rentner
- eine Verlängerung der Sonderabgabe für profitable Unternehmen
- Kürzungen im Gesundheitswesen im Volumen von 2,1 Milliarden Euro
Die Maßnahmen zusammen sollen den Fehlbetrag im Haushalt 2011 um 5,1 Milliarden auf 16,8 Milliarden Euro senken. Das würde 7,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprechen. 2009 lag das Defizit nach EU-Angaben noch bei 15,4 Prozent.
Finanzminister Giorgos Papakonstantinou kündigte an, sich auch mit der Verschwendung der öffentlichen Hand, problematischen Staatsunternehmen und Steuerhinterziehung zu befassen. "Wir haben die Schlacht noch nicht gewonnen, aber wir sind jetzt in einer besseren Lage, uns mit den wahren Problemen zu beschäftigen."
Ende der Rezession erst 2012 in Sicht
Trotz aller bisher geleisteten Sparanstrengungen wird das griechische Haushaltsdefizit in diesem Jahr voraussichtlich bei 9,4 Prozent liegen. Vorgesehen waren im Rahmen eines Rettungspaketes von EU und Internationalem Währungsfonds nur acht Prozent. Analysten befürchten, dass die Wirtschaft durch die neuen Sparmaßnahmen noch mehr leiden könnte. Zugleich sei nicht sicher, ob es nicht zu einer Umschuldung kommen könnte. Schätzungen zufolge könnte die Gesamtverschuldung Griechenlands 2011 auf satte 153 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Die Wirtschaftsleistung wird demnach wegen der Sparmaßnahmen um drei Prozent sinken. Ein Ende der Rezession sei erst 2012 in Sicht, wenn Strukturreformen griffen und die Auslandsnachfrage anziehe, fürchten die Analysten.
Während die Abgeordneten im Parlament über das Sparpaket berieten, gingen draußen die Streiks und Proteste weiter. Am Mittwochmittag zogen mehrere Hundert Menschen - überwiegend Beamte staatlicher Unternehmen - vor das Parlament und protestierten gegen das harte Sparprogramm. Sie skandierten "Diebe, Diebe" und warfen den Politikern vor, Griechenland zum Bankrott geführt zu haben. An der Demonstration beteiligten sich nach Angaben griechischer Medien allerdings weit weniger Menschen, als die Organisatoren erhofften.
Zudem legten Busfahrer und Zugführer erneut für 24 Stunden die Arbeit nieder. Auf den Zufahrtsstraßen zur griechischen Hauptstadt gab es große Staus, weil viele Menschen versuchten, mit dem eigenen Wagen oder mit dem Taxi zur Arbeit zu kommen. Aus Protest gegen die von der Politik verordneten Sparmaßnahmen hatten die Beschäftigten des Nahverkehrs zuletzt immer wieder gestreikt.
Umsatz im Einzelhandel ist um 40 Prozent eingebrochen
Doch verhindern konnten die Demonstranten das Sparprogramm nicht: Die regierenden Sozialisten von Ministerpräsident Papandreou verfügen über eine Mehrheit von 156 Abgeordneten im 300-köpfigen griechischen Parlament. Die Parlamentsdebatte verlief kontrovers: Erstmals kritisierten auch zahlreiche Abgeordnete der Sozialisten die Sparmaßnahmen, die die Wirtschaft abwürgten. So ist der Umsatz im Einzelhandel nach Verbandsangaben in diesem Jahr um rund 40 Prozent eingebrochen.
Einige Abgeordnete warfen Ministerpräsident Papandreou vor, an ihnen vorbei nur mit seinen engen Mitarbeitern, dem Internationalen Währungsfonds und den EU-Experten die Wirtschaftspolitik des Landes zu beschließen. "Ich habe den Eindruck, ich bin ein Fußballspieler, der den Ball nicht berühren darf", sagte ein sozialistischer Abgeordneter. Papandreou kündigte an, er werde sich in den nächsten Wochen mit allen Abgeordneten seiner Partei treffen, um ihre Ansichten zu hören.
Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung hatte die Ratingagentur Fitch Griechenland bereits zuvor mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit auf Ramschniveau gedroht. Das derzeitige Rating von "BBB-" werde auf eine mögliche Herabstufung überprüft, hieß es. Die Überprüfung soll noch im Januar 2011 abgeschlossen werden. "BBB-" ist bei Fitch die schlechteste Note im sogenannten Investment-Grade-Bereich.