Ägyptischer Protest-Initiator Ghonim Der Märtyrer der Facebook-Revolutionäre

Er betrieb eine der wichtigsten Protestseiten, dann verschwand er in den Kerkern des Regimes. Nun ist Google-Manager Wael Ghonim frei - und wird zum unfreiwilligen Helden des Aufstands.

In Ägypten von einer Facebook-Revolution zu sprechen, ist übertrieben. Dazu schwelen die Konflikte in dem Land schon viel zu lange und zu wenige Ägypter sind des Lesens mächtig, geschweige denn vernetzt. Und doch sind die digitalen Medien ein wichtiger Wegbereiter des Aufstands gegen Präsident Husni Mubarak . Die umtriebige Jugendbewegung "6. April" etwa organisiert sich über Facebook, genau wie die Seite "We are all Khaled Said", die der Unzufriedenheit im Land über den Polizeistaat eine Plattform gegeben hat - und als Mitauslöser der Proteste gilt.

Lange Zeit wurde gerätselt, wer der Initiator dieser Facebook-Gruppe sein könnte. Nun ist klar: Es war Wael Ghonim, Google-Marketingchef für den Nahen Osten. 30 Jahre alt, Ägypter mit Wohnsitz in Dubai und Vater von zwei Kindern. Zwölf Tage lang war er verschwunden, jetzt stellt sich heraus: Der gefürchtete ägyptische Sicherheitsdienst hatte ihn festgenommen - und nun aus der Haft entlassen. Sofort twitterte er den Satz: "Freiheit ist ein Segen, der es Wert ist, dafür zu kämpfen." Und nur zwei Stunden später gab er sein erstes Interview, ein sehr emotionales Gespräch. Darin schildert Ghonim, wie es ihm im Knast erging und wie er seine Rolle als "Verräter der Nation" sieht, wie ihn offizielle Medien nennen. "Ich hatte zwölf Tage lang die Augen verbunden, ich hörte nichts, ich wusste nichts", sagte er dem ägyptischen Privatsender "Dream 2". Dennoch will er im Gefängnis Mithäftlinge getroffen haben. Ein Regisseur etwa sei geschlagen wurden, und man habe gedroht, das er hier sterben würde, so Ghonim über den Filmemacher.

Geschlagen und misshandelt wurde er nicht

Über seine Aufpasser im Gefängnis sagte er: "Ich glaube, auch sie lieben Ägypten - allerdings unterscheiden sich ihre Methoden und meine voneinander. Ich zahle diesen Leuten ihr Gehalt und habe ein Recht darauf zu erfahren, was mit meinem Geld passiert." Obwohl noch lange nicht absehbar ist, in welche Richtung sich das Land bewegen wird, ist Ghonim optimistisch: "Wenn sich die Dinge hier bessern, dann werden auch Menschen wie die Gefängnisaufseher unserem Land dienen", so der Google-Manager. Geschlagen oder misshandelt worden sei er nicht, sagt der 30-Jährige.

Als "al Shaheed", arabisch für der Märytrer, hatte Ghonim auf Facebook die Unterstützerseite "We are all Khaled Said" eingerichtet. Khaled Said war ein Händler und Blogger aus Alexandria, der im Sommer vergangenen Jahres auf offener Straße von der Polizei zu Tode geprügelt wurde. Der Google-Manager hat in dem Interview zugegeben, dass er der Initiator der Seite sei.

Auf dem Nachhausweg festgenommen worden

Bedeutung hat die Seite deswegen erlangt, weil hier am 25. Januar zu Protesten gegen das Regime aufgefordert wurde - genau an dem Tag, als erstmals Tausende Ägypter gegen Husni Mubarak auf die Straße gingen. Zu dem Zeitpunkt hatte die arabischsprachige Gruppe bereits 400.000 Fans, und sie entwickelte sich schnell zu einer der digitalen Drehscheiben für die Demonstranten. Am 27. Januar verschwand Ghonim von der Bildfläche. Nach einer Demonstration wurde er auf dem Heimweg von der Geheimpolizei festgenommen.

Obwohl seine Facebook-Seite viel Aufmerksamkeit erregt hat, sieht sich Ghonim nicht als Held. "Ich habe nur eine Tastatur benutzt und getan, was das einfachste war: schreiben", sagt er. Und am Mittwochabend rief er den jubelnden Massen auf dem Tahrir-Platz zu: "Nicht ich, sondern ihr seid die Helden."

Ursprünglich wollte er derjenigen Ägypter gedenken, die ums Leben gekommen sind. "Die Helden sind jene, die auf der Straße waren, die an den Demonstrationen teilgenommen haben, die ihr Leben geopfert haben, die geschlagen, verhaftet und der Gefahr ausgesetzt worden sind", sagt Ghonim. Als der Fernsehsender Bilder junger Menschen zeigte, die während der Proteste getötet worden waren, brach Ghonim in Tränen aus. "Ich will allen Mütter, allen Vätern, die einen Sohn verloren haben, sagen, ich entschuldige mich, es ist nicht unsere Schuld", sagte er in dem TV-Interview.

"Die Muslimbrüder waren nicht beteiligt"

Ghonim, den nicht wenige als neue Galionsfigur der Proteste sehen, und einige sogar schon zum nächsten Präsidenten küren möchten, widerspricht der offiziellen Version, nach der die Demonstrationen wahlweise aus dem Ausland oder von der verbotenen Muslimbruderschaft angezettelt wurden. "Die Muslimbrüder waren nicht an der Organisation der Proteste beteiligt. Und wenn sie an den Demonstrationen teilgenommen haben, dann war das ihre Entscheidung. Auch sie sind Teil der ägyptischen Jugend."