Kampf um Afghanistan Vormarsch im Eiltempo: Taliban erobern wichtige Städte Kandahar und Laschkargah

Taliban nehmen Kandahar in Afghanistan ein
Taliban nehmen Kandahar in Afghanistan ein (Symbolbild)
Sehen Sie im Video: Taliban nehmen offenbar auch Kandahar ein – USA verlegen Tausende Soldaten.






Die Taliban nähern sich auf ihrem Eroberungsfeldzug durch Afghanistan der Hauptstadt Kabul. Die Islamisten nahmen am Donnerstag Ghasni ein, das rund 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt an einer wichtigen Verbindungsstraße zwischen den beiden Städten liegt. Zudem konnten sie die zweitgrößte Stadt Kandahar einnehmen. "Kandahar ist vollkommen erobert", erklärte ein Taliban-Sprecher im Onlinedienst Twitter. Ein Anwohner sagte, die afghanische Armee habe offenbar den Rückzug angetreten. Angesichts des Vormarsches schicken die USA vorübergehend etwa 3000 weitere Soldaten nach Afghanistan, um die Evakuierung von Botschaftsmitarbeitern in Kabul zu unterstützen. Der Einsatz werde in den kommenden 24 bis 48 Stunden beginnen, sagte am Donnerstag ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Man ließe die Menschen nur noch aus dem Land, wenn die einen afghanischen Reisepass hätten, so Kramp-Karrenbauer. Das Auswärtige Amt versuche derzeit, die afghanische Regierung von dieser Praxis abzubringen. Seit dem Beginn des internationalen Truppenabzugs im Mai haben die Taliban immer mehr Boden gutgemacht. Sie kontrollieren inzwischen etwa zwei Drittel Afghanistans.
Die Taliban melden ihre bislang größte Eroberung: die zweitgrößte Stadt Afghanistans, Kandahar. Auch die wichtige Stadt Laschkargah im Süden konnten sie einnehmen. Damit haben die Islamisten im Eiltempo 14 Provinzhauptstädte überrannt.

Die militant-islamistischen Taliban setzen ihre dramatischen Gebietsgewinne weiter fort. In der Nacht zum Freitag eroberten sie mit Kandahar im Süden des Landes die zweitgrößte Stadt Afghanistans. Das bestätigten zwei Parlamentarier und ein Provinzrat der Deutschen Presse-Agentur. Damit fällt die 14. Stadt binnen einer Woche an die Islamisten. Die militant-islamistischen Taliban haben außerdem die wichtige Stadt Laschkargah im Süden Afghanistans eingenommen.

Kandahar hat mehr als 650.000 Einwohner. Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz ist das wirtschaftliche Zentrum des Südens und war der Geburtsort der Taliban-Bewegung in den 1990er-Jahren. Kandahar diente zudem als Hauptstadt der Islamisten während ihrer Herrschaft zwischen 1996 und 2001.

Afghanische Regierung zieht sich zurück

Mehr als drei Wochen lang kam es innerhalb der Stadt zu schweren Zusammenstößen zwischen der Regierung und den Taliban, bevor die Sicherheitskräfte die Stadt evakuierten, sagte der Parlamentarier Gul Ahmad Kamin, der die Provinz im Parlament vertritt. Die Regierungstruppen hätten schließlich die wichtigsten Regierungsbehörden in Kandahar verlassen und im 205. Armeekorps der Provinz Zuflucht gesucht.

Laschkargah in der Provinz Helmand war seit Wochen schwer umkämpft. Viele Afghanen gingen aufgrund der heftigen Angriffe davon aus, dass sie die erste wichtige Stadt sein werde, die an die Islamisten fällt. Als die Regierung Ende Juli nur mehr zwei der zehn Polizeibezirke in der Stadt mit geschätzt 200.000 Einwohnern hielt, wurden aus Kabul noch einmal Spezialkräfte entsandt. Diese schafften es mit Unterstützung durch viele Luftangriffe der afghanischen und der US-Streitkräfte zunächst, die Lage zu stabilisieren, wobei aber auch ein Krankenhaus und eine Universität getroffen wurden.

Taliban erobern innerhalb einer Woche 14 Hauptstädte

Nach anhaltenden schweren Angriffen und dem Einsatz auch von Autobomben gegen das noch von der Regierung gehaltene Polizeihauptquartier allerdings wendete sich die Situation in der Nacht zu Freitag zugunsten der Taliban. Der Provinzrat Abdul Madschid Achundsada sagte am Freitagmorgen (Ortszeit), die Taliban hätten die gesamte Stadt eingenommen. Der Kommandeur des 205. Armeekorps, Sami Sadat, sei mit dem Gouverneur ausgeflogen worden. Restliche verbliebene Sicherheitskräfte hätten die Stadt auf dem Landweg verlassen.

Von den wichtigen Städten hält die Regierung nur noch die Hauptstadt Kabul, Masar-i-Scharif im Norden und Dschalalabad im Osten.

Mit dem Zusammenbruch der Städte Kandahar und Laschkargah haben die Taliban nun innerhalb einer Woche 14 Hauptstädte der 34 Provinzen des Landes überrannt. Am Donnerstag alleine konnten sie drei Städte einnehmen – darunter die drittgrößte Stadt Herat und die strategisch wichtige Stadt Gasni, die nur 150 Kilometer von Kabul entfernt liegt. Vertreter der afghanischen Regierung haben die sich überschlagenden Ereignisse noch nicht kommentiert.

Video: Flucht vor den Taliban
Flucht vor den Taliban

USA entsenden 3000 Soldaten

Angesichts des Vormarsches werden die US-Streitkräfte sofort rund 3000 zusätzliche Soldaten an den Flughafen in Kabul verlegen. Damit soll eine geordnete Reduzierung des US-Botschaftspersonals unterstützt werden, hieß es von einem Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Zudem verlegen die USA demnach bis zu 4000 weitere Soldatinnen und Soldaten nach Kuwait und 1000 nach Katar – falls Verstärkung gebraucht würde.

Der Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan solle aber bis 31. August abgeschlossen werden, so der Sprecher am Donnerstag (Ortszeit). Auch Großbritannien will rund 600 zusätzliche Soldaten schicken, um bei der Rückführung von Briten aus Afghanistan zu helfen. Zuletzt hatte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag im Weißen Haus erklärt, die Afghanen müssten nun "selbst kämpfen, um ihren Staat kämpfen".

DPA
rw