Die Bundesregierung stößt mit ihrer neuen Afghanistan-Strategie auf wenig Gegenliebe in der Opposition. Während die Linke auf einem vollständigen Abzug beharrt, macht die SPD ihre Zustimmung im Bundestag von Nachbesserungen abhängig. Es gebe wichtige Kernforderungen, die noch nicht erfüllt seien, sagte der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel am Dienstag. Als Beispiel monierte er, dass eine "konkrete Abzugsperspektive 2011" fehle.
Auch die geplante Aufstockung der derzeit 4500 Soldaten um 500 Mann plus einer Reserve von 350 Soldaten sei für die SPD eine "Position, die wir sehr kritisch sehen", sagte Gabriel. Seine Partei sei der Überzeugung, dass Aufbauarbeit auch mit dem vorhandenen Kontingent geleistet werden könne. "Wir erwarten jetzt von der Bundesregierung, dass sie uns im Detail erläutert, wie die Zahl 850 zustande kommt."
Linke fordert vollständigen Abzug in diesem Jahr
Zusammen mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier nannte Gabriel es allerdings "erfreulich", dass sich die schwarz-gelbe Regierung auf Positionen der SPD zubewegt habe. So habe die Bundesregierung deutlich gemacht, dass keine zusätzlichen Kampftruppen entsandt werden sollen, sagte Gabriel. Zweitens habe die Bundesregierung die Haltung, dass bis 2014/2015 "kein internationaler Soldat mehr, kein Mitglied internationaler Streitkräfte noch an Kampfhandlungen beteiligt sein soll". Das sei präzise die Position der SPD.
Die Linke lehnte die neue Afghanistan-Strategie klar ab. Fraktionschef Gregor Gysi sagte in Berlin: "Die Bundeswehr muss abziehen aus Afghanistan." Auch Linken-Vorstandsmitglied Christine Buchholz erklärte: "850 zusätzliche Soldaten sind weitere 850 Soldaten zu viel." Die Verdopplung der Entwicklungshilfe sei nur "ein Feigenblatt der Regierung, um der Bevölkerung die Entsendung von mehr Kampftruppen schmackhaft zu machen". Die Linke forderte erneut einen bedingungslosen und vollständigen Abzug der Bundeswehr noch in diesem Jahr.
Merkel proklamiert "sehr viel stärker defensiven Ansatz"
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstagvormittag die neue Afghanistan-Strategie der Bundesregierung erklärt. Die Regierungschefin hatte betont, Deutschland verfolge nun einen "sehr viel stärker defensiven Ansatz". Denn künftig sollen sich 1400 der dann 5000 Soldaten um die Ausbildung der afghanischen Truppen kümmern. Bislang sind zu diesem Zweck nur 280 Soldaten vor Ort.
Die Ausbilder sollen laut Merkel einen neuen Ansatz verfolgen, der den Schutz der Bevölkerung gleichrangig einbezieht. Damit ist gemeint, dass die Soldaten die Feldlager öfter verlassen und die afghanischen Sicherheitskräfte auf ihren Patrouillen begleiten. Zugleich will die Bundesregierung ihre finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau in Afghanstan aufstocken. Merkel kündigte an, dass der Betrag mehr als verdoppelt werden soll: von 210 Millionen auf 430 Millionen Euro pro Jahr. Zudem will Deutschland 50 Millionen Euro in einen 350 Millionen schweren internationalen Fonds zahlen, der sich um die Reintegration von Taliban-Aussteigern in die afghanische Gesellschaft kümmert.
Regierung lehnt Datum für vollständigen Abzug ab
Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan soll im nächsten Jahr starten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte in Berlin: "Wir wollen 2011 mit dem Abbau unseres eigenen Kontingentes beginnen." Ziel der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung sei eine Abzugsperspektive. Dafür sollten die Voraussetzungen geschaffen werden.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kündigte an, die Bundesregierung wolle ihr neues Afghanistan-Konzept ab März umsetzen. Auch er betonte, ein Abzug deutscher Soldaten sei "in Teilbereichen" bereits 2011 denkbar. Einen festen Abzugstermin werde die Bundesregierung aber auf keinen Fall nennen.