Suche in Sibirien Seine Mutter will Abschied nehmen – doch Nawalnys Leichnam ist verschwunden

Kremlkritiker Alexej Nawalny
Alexej Nawalny 2022 während einer Videoübertragung in einen Gerichtssaal
© Dmitry Serebryakov / AP / DPA
Alexej Nawalnys Tod wurde vom seinem Team bestätigt. Die Unterstützer fordern jetzt eine unabhängige Untersuchung des Leichnams – doch der ist in Sibirien für sie nicht auffindbar.

Falls es noch Hoffnung gab, ist sie nun endgültig erloschen. Auch die Vertrauten von Alexej Nawalny bestätigen jetzt den Tod des Kremlfeindes, unter anderem seine Sprecherin Kira Jarmysch. Die Mutter habe die amtliche Todesnachricht erhalten. Nawalny wurde 47 Jahre alt.

Nach offiziellen – und bislang nicht unabhängig überprüfbaren – Angaben russischer Behörden ist Nawalny am Freitag während eines Hofgangs in der klirrenden Kälte seines Straflagers im sibirischen Charp zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche seien erfolglos geblieben. Der Tod sei um 14.17 Uhr Ortszeit (10.17 Uhr MEZ) festgestellt worden. Als Todesursache sei Mutter Ljudmila Nawalnaja ein "plötzliches Todessyndrom" mitgeteilt worden, berichtet der Nawalny-Vertraute Iwan Schdanow. Zu den konkreten Todesumständen treffen die Behörden bisher keine Aussage.

Alexej Nawalnys Todesursache unbekannt

Klar ist: Nawalny war geschwächt. Er überlebte einen Giftanschlag und war seit Jahren widrigsten Haftbedingungen ausgesetzt. Seine Anhänger werfen Wladimir Putin und seinem Regime Mord an einem Staatsfeind vor.

Um Licht ins Dunkel der genauen Todesursache zu bringen, fordern die Unterstützer Nawalnys jetzt die "unverzügliche" Übergabe des Leichnams an dessen Familie, damit dieser unabhängig untersucht werden kann. Die Herausgabe der sterblichen Überreste erreichten die nach Sibirien gereiste Mutter und ein Anwalt des Kremlkritiker am Samstag jedoch nicht. Vielmehr scheint der Leichnam verschollen.

Von einem Mitarbeiter des Straflagers jenseits des Polarkreises sei mitgeteilt worden, dass sich der Körper Nawalnys in der Stadt Salechard, rund 50 Kilometer südöstlich der Haftanstalt befinde, für "Untersuchungen", wie Sprecherin Jarmysch ausführt.

Im dortigen Leichenschauhaus wisse man jedoch nichts davon, sagt ein Mitarbeiter der Einrichtung auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Auch Mutter Nawalnaja und der Anwalt haben laut Jarmysch die Auskunft bekommen, dass "Alexejs Leiche nicht in der Leichenhalle ist". Überdies sei das Leichenschauhaus in Salechard zurzeit geschlossen.

Die Angehörigen und Unterstützer wissen nicht, wo sich der Leichnam Nawalnys befindet – der russische Machtapparat offenbar schon. Für sie scheint der Fall so gut wie erledigt. "Erst vor einer Stunde wurde den Anwälten mitgeteilt, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien und keine Straftaten festgestellt worden seien", teilt Kira Jarmysch am frühen Samstagnachmittag (MEZ) mit. Die endgültigen Ergebnisse sollen demnach "angeblich" in der kommenden Woche vorliegen. Möglicherweise werde der Leichnam dann an die Angehörigen übergeben, schreibt Jarmysch. Sie hat aber den Glauben an das Regime verloren, wenn sie es denn je gehabt hat: "Sie lügen buchstäblich jedes Mal, treiben uns im Kreis herum und verwischen ihre Spuren."

Ljudmila Nawalnaja muss im fernen Sibirien weiter darauf warten, die sterblichen Überreste ihres Sohnes zu identifizieren.

Quellen: Kira Jarmysch, Iwan Schdanow, Nachrichtenagenturen DPA, AFP und Reuters