Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend mit seiner Rede die Welt schockiert. Er gab Einblick in sein verqueres Geschichtsbild und sprach der Ukraine die Daseinsberechtigung ab. Das Land habe nie "echte Staatlichkeit" gehabt. Am Ende seiner TV-Ansprache erkannte Putin die "Volksrepubliken Luhansk und Donezk" als unabhängige Staaten an (der stern berichtete).
Während Putin über Korruption und Verfolgung von Oppositionellen in der Ukraine fabuliert, sitzt sein größter Feind in Haft. Alexej Nawalny hat sich Putins Machtinszenierung in einem Straflager etwa hundert Kilometer östlich von Moskau angesehen. Und findet dafür bei Twitter – auf Russisch und auf Englisch – klare Worte. Über seine Anwälte gelingt es ihm, Botschaften an die Außenwelt zu übermitteln, die in den sozialen Netzwerken verbreitet werden.
Die Sitzung des Sicherheitsrats nennt Nawalny eine "Versammlung von Senilen und Dieben". Sie würden sich noch nicht einmal bemühen, ihrem Casus Belli die geringste Glaubwürdigkeit zu geben.
Alexej Nawalny: "Sie wollen Blut"
Er fühlt sich an das Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion erinnert, das sich recht ähnlich "am großen Schachbrett" gesehen und entschieden hätte, sowjetische Truppen nach Afghanistan zu schicken. Das Ergebnis seien Hunderttausende Opfer gewesen und Konsequenzen, die Russland und Afghanistan noch immer nicht überwunden hätten.
Es gehe darum, die Aufmerksamkeit der russischen Bevölkerung von den wirklichen Problemen abzulenken. Nawalny listet auf: "die Entwicklung der Wirtschaft, steigende Preise, die herrschende Gesetzlosigkeit". Bloße Propaganda sei für die "senilen Diebe" nicht mehr genug. "Sie wollen Blut."
Auf Twitter habe er die akkurateste Metapher für Putins Ansprache gefunden: "Es ist wie mein Großvater, der sich auf der Familienfeier betrinkt und jeden nervt mit seinen Geschichten wie Weltpolitik tatsächlich funktioniert." Es wäre lustig, schreibt Nawalny, wenn der betrunkene Großvater nicht ein 69-jähriger Mann an der Macht wäre in einem Land mit Atomwaffen. Nawalny fordert zum Gedankenspiel auf, in Putins Rede "Ukraine" mit "Belarus", den "baltischen Staaten" oder sogar "Finnland" zu ersetzen und sich dann vorzustellen, wo der geopolitische Gedankengang dieses "senilen Großvaters" ihn als nächstes hinführen könnte.
Putin und seine "senilen Diebe" vom Sicherheitsrat und Einiges Russland seien die Feinde Russlands und dessen größte Bedrohung – nicht die Ukraine oder der Westen schreibt Nawalny. "Putin tötet und Putin möchte noch mehr töten." Für Russland zu kämpfen, das Land zu retten, bedeute, für den Machtentzug Putins und "seiner Kleptokraten" zu kämpfen. Aber jetzt bedeute es auch, "für Frieden zu kämpfen".
Alexej Nawalny ist in einem Straflager inhaftiert
Nawalny ist derzeit etwa hundert Kilometer östlich von Moskau in einem Straflager inhaftiert. Mitte Februar hat ein neuer Prozess gegen ihn begonnen. Diesmal muss sich Nawalny wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen verbotene Anti-Korruptionsstiftung und wegen Beleidigung einer Richterin verantworten. Nach Angaben seines Teams drohen dem Kremlkritiker bis zu 15 Jahre Haft.
mit Material der dpa