Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei einer Fernsehansprache die Staatlichkeit der Ukraine als Ganzes infrage gestellt. Der Kremlchef bezeichnete die Ukraine am Montag in einer Fernsehansprache als einen durch Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffenen Staat. Die Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der "Dekommunisierung", sagte Putin mit Blick auf die Abschaffung der Überreste des Kommunismus. "Wir sind bereit, der Ukraine zu zeigen, was eine echte Dekommunisierung ist."
Putin: Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen verhindern, dass es den Menschen besser geht
Die Ukraine habe nie eine "echte Staatlichkeit" gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert, sagte Putin. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen – unter den Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe.
Es wurde erwartet, dass Putin in der Ansprache seine Entscheidung zur Anerkennung der selbst anerkannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten bekannt gibt. Die Entscheidung dürfte den Ukraine-Konflikt weiter stark befeuern. Zuvor hatte Putin den nationalen Sicherheitsrat angehört. Dessen Mitglieder sprachen sich mehrheitlich für die Anerkennung aus.
Putin: Ukraine könnte Atomwaffen herstellen
Putin hat in seiner Fernsehansprache davor gewarnt, dass in der Ukraine Atomwaffen hergestellt werden könnten. "Wir wissen, dass es bereits Berichte gab, die Ukraine wolle ihre eigenen Atomwaffen herstellen. Das ist keine leere Prahlerei", sagte Putin. "Die Ukraine verfügt tatsächlich immer noch über sowjetische Nukleartechnologien und Trägersysteme für solche Waffen."
Der Kremlchef warf zudem der Nato vor, mit einer "unverschämten Aneigung" der Ukraine begonnen zu haben. Der Westen wolle die Ukraine als "Theater möglicher Kampfhandlungen" erschließen, sagte Putin.
"Nato hat uns betrogen"
Zudem warf er der Nato eine jahrelange Täuschung Moskaus vor. Russland sei zu Sowjetzeiten bei der Wiedervereinigung Deutschlands versprochen worden, dass die Nato sich kein bisschen nach Osten ausdehne, sagte der Kremlchef. "Sie haben uns betrogen", sagte Putin und warf dem westlichen Bündnis vor, bereits fünf Wellen der Ausdehnung nach Osten durchgezogen zu haben – und Russland wie einen Feind zu behandeln. "Warum das alles? Wozu?", fragte Putin.
Er hatte zuletzt mehrfach vor einer Aufnahme der Ukraine in die Nato gewarnt. Russland sieht sich dadurch in seiner Sicherheit bedroht. Die Nato habe es darauf angelegt, Russland als flächenmäßig größtes Land zu schwächen, so Putin. In der Vergangenheit seien auch die Terroristen im Nordkaukasus unterstützt worden, sagte er mit Blick auf die Kriege in der russischen Teilrepublik Tschetschenien.

Die Nato habe bisher alle Proteste und Warnungen ignoriert. Der Block habe seine militärische Infrastruktur immer weiter an die Grenzen Russlands heranbewegt. Das westliche Bündnis habe dabei auf Moskaus Sorgen "gespuckt" und gemacht, was es wolle.
Zugleich betonte Putin, dass Russland weiter bereit sei zum Dialog mit dem Westen – mit der Nato und den USA. Voraussetzung sei ein Ende der Osterweiterung, ein Verzicht auf die Stationierung von Raketenabwehrsystemen und ein Rückzug der Nato auf die Positionen von 1997, sagte Putin. "Russland trat und tritt immer dafür ein, dass die schwierigsten Probleme mit politisch-diplomatischen Methoden am Verhandlungstisch entschieden werden", sagte er.
Putin: Massenverbrechen an russischstämmigem Volk im Donbass
Trotz fehlender Beweise sprach der Präsident in seiner TV-Ansprache von einem Massenverbrechen am russischstämmigen Volk in der Ostukraine. "Die sogenannte zivilisierte Welt zieht es vor, den von Kiew begangenen Genozid im Donbass zu ignorieren", sagte Putin. Vier Millionen Menschen seien betroffen.
Der Kremlchef hatte bereits am vergangenen Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem Donbass das Wort "Genozid" verwendet.
Scholz ließ diese Behauptung zunächst unwidersprochen. Wenig später widersprach er Putins Darstellung aber deutlich: "Das ist ein heftiges Wort. (...) Es ist aber falsch." Scholz' Äußerung hatte breite Kritik in der russischen Führung hervorgerufen.
Nach der Definition der Vereinten Nationen (UN) liegt ein Genozid etwa vor, wenn "eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe in Teilen oder ganz zerstört" wird.
Die USA hatten Russland zuletzt beschuldigt, möglicherweise den Vorwurf des Völkermordes als Vorwand für eine Invasion der Ukraine nutzen zu wollen. Der Kreml hatte Angriffspläne immer vehement dementiert.
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