Andreas Albes Warten in Arab Beach

Reporter Andreas Albes berichtet für den stern vom Warten der Journalisten an der jordanisch-irakischen Grenze.

Ruwayshed ist der letzte jordanische Ort vor der Grenze zum Irak. Ein paar baufällige Häuser inmitten brauner Wüste, gelegen an der gut ausgebauten Straße zwischen Amman und Bagdad. Es gibt zwei Restaurants, in denen Lkw-Fahrer Rast für gegrilltes Hühnchen machen, drei Supermärkte und einen Laden, der Bier und Whiskey verkauft. Womit die überwiegende Zahl der drei- bis viertausend Menschen, die hier leben, ihr Geld verdient, wird nur gemutmaßt. Schmuggel.

Seit ein paar Wochen ist eine neue Einnahmequelle hinzugekommen. Überall im Ort sieht man Geländewagen mit großen TV- und Presse-Aufklebern: CNN, BBC, New York Times, Reuters, ARD, RTL. Hunderte Reporter, Fotografen und Kameraleute, die warten. Darauf, dass die angekündigte Flüchtlingswelle einsetzt. Und darauf, dass die Grenze geöffnet wird, und sie aus dem Irak berichten können. Aber bis auf gut 500 Gastarbeiter, vor allem Sudanesen, sind die riesigen Flüchtlingscamps wenige Kilometer hinter Ruwayshed leer. Und die Grenze ist für alle Nichtaraber ohne Irak-Visa dicht. Abgesehen von der Gefahr, jetzt ins Land zu fahren.

Also weiter abwarten. Mit jedem Tag kommen mehr Journalisten nach Ruwayshed. Manche haben Häuser gemietet, andere übernachten in einem abbruchreifen zweistöckigen Gebäude, das bis vor kurzem nur von streunenden Hunden und Katzen bewohnt wurde. Der Besitzer, Sadel Jaber, ist gerade dabei, Toiletten und Duschen zu installieren. „Es ist doch schon mal was, dass es überhaupt Wasser gibt“, sagt er. Bis letzte Woche hatte Sadels Hotel nicht mal einen Namen. Die Journalisten haben es „Arab Beach“ getauft. Das dazugehörige Restaurant, in dem ein Catering-Service aus Amman Frühstücks- und Mittagsbuffet anbietet, heißt treffender Weise Cafe Bagdad.

Wegen der nicht enden wollenden Nachfrage nach Schlafgelegenheiten hat Sadel Jaber auf dem Parkplatz Container mit schmalen Pritschen aufstellen lassen. Sie waren im Nu ausgebucht. Der Preis pro Nacht unterscheidet sich nur unwesentlich vom Interconti oder Sheraton in Amman: zwischen 80 und 100 Dollar. Ohne Frühstück, ohne Heizung. Vor drei Tagen hat es zu schneien begonnen, nachts sinken die Temperaturen auf unter Null Grad, bei Windstärke fünf bis sechs. Heizlüfter sind in Ruwayshed zur Zeit ausverkauft.

Auch die Telefongesellschaft Jordan Telecom hat erkannt, dass sich mit der versammelten Weltpresse und den erwarteten Flüchtlingen Geld verdienen lässt. Neue Antennenmasten für Mobilfunk wurden installiert, ein Bus mit 20 Computern und Internetanschluss heran gekarrt, und in den Flüchtlingscamps stehen Zelte in leuchtend roter Firmenfarbe. Dort werden Telefonkarten und Handys verkauft. Einmal am Tag fahren die Journalisten im Konvoi an die Grenze, um zu sehen, was es Neues gibt. Ansonsten sitzen sie rum, frieren, sehen fern und tauschen die neuesten Gerüchte aus. Wegen des Wetters scheidet Fußball als Zeitvertreib momentan aus. Vor allem die Amerikaner klagen über mangelnde Sportmöglichkeiten. Arab Beach-Chef Sadel denkt deshalb schon darüber nach, ein Fitness-Studio zu eröffnen.

Andreas Albes