Die israelische Armee hat bei zwei Angriffen mit Panzern und Kampfhubschraubern im Gazastreifen am Dienstag sieben palästinensische Zivilisten getötet und mehr als 60 Menschen verletzt. Die Eskalation der Gewalt hat den Bemühungen um die Umsetzung des internationalen Nahost-Friedensplanes nach Ansicht von Beobachtern einen schweren Schlag versetzt.
Bush "zutiefst besorgt"
US-Präsident George W. Bush zeigte sich angesichts der israelischen Kampfhandlungen "zutiefst besorgt". Der palästinensische Ministerpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Angriffe als "Terror" und forderte ein sofortiges Eingreifen der USA, um den Friedensprozess zu retten. Der israelische Außenminister Silwan Schalom erklärte dazu in Moskau, es werde "so lange keinen Frieden geben, wie der Terror (in der Region) andauert".
Angriff auf Hamas-Führer
Der erste, fehlgeschlagene Angriff am Morgen galt dem Führer der militanten Hamas-Organisation Abdel Asis Rantisi, dessen Fahrzeugskonvoi in Gaza von zwei Kampfhubschrauber mit Raketen beschossen wurde. Der Extremistenführer konnte sich in letzter Sekunde in Sicherheit bringen und wurde nur leicht verletzt. Eine Frau und ihre kleine Tochter sowie ein Leibwächter Rantisis wurden jedoch getötet und 30 Personen zum Teil schwer verletzt. Ein 17- jähriger Sohn des Hamas-Führers wurde ebenfalls verletzt.
Reaktion auf palästinensische Übergriffe
Israel reagierte mit der Aktion offenbar auf einen Überfall militanter Palästinenser am Sonntag, bei dem vier Soldaten in einem Stützpunkt im Norden des Gazastreifens getötet worden waren. Als militante Palästinenser am Abend dann fünf Kurstreckenraketen auf die dem Gazastreifen benachbarte israelische Stadt Sderot abfeuerten, beschossen israelische Panzer am Abend ein palästinenisches Stadtviertel nordöstlich von Gaza. Dabei wurden nach Berichten von Augenzeugen 4 Palästinenser getötet und mehr als 30 verletzt.
Sprecher der Palästinenser reagierten auf die israelischen Angriffe mit Empörung und warnten vor dem Zusammenbruch des Friedensprozesses. An der Börse von Tel Aviv gaben die Aktienkurse um knapp drei Prozent nach.
Hamas kündigt Rache an
Der hochrangige Hamas-Führer Mahmud Asahar kündigte Rache an. "Dieser Anschlagsversuch ist wie ein Erdbeben, das Israel erschüttern wird", sagte er. Rantisi selbst, der bei der Aktion leicht verletzt wurde, drohte nach seiner medizinischen Versorgung: "Wir werden den Kampf fortsetzen, bis auch der letzte Zionist alle Teile Palästinas verlassen hat". Ministerpräsident Abbas versucht seit Wochen, die Hamas-Extremisten zu einer Waffenruhe mit Israel zu bewegen.
Scharfe Reaktion aus Washington
Sechs Tage nach dem Nahostgipfel von Akaba reagierte die US-Regierung in ungewöhnlicher Schärfe auf den Angriff auf Rantisi, der die in Akaba vereinbarte Umsetzung des internationalen Nahost- Friedensplans in Frage stellt. Präsident George W. Bush sei "zutiefst beunruhigt", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer. Bush befürchte, dass damit die Bemühungen von Abbas untergraben würden, den Terrorismus zu bekämpfen. Zwar respektiere das Weiße Haus das Recht Israels auf Selbstverteidigung, doch dieser Angriff trage nicht zur Sicherheit Israels bei. UN-Generalsekretär Kofi Annan rief Israel auf, "Gewaltakte zu unterlassen, insbesondere in dicht besiedelten Wohngebieten".
Der liberale israelische Minister für Infrastruktur, Josef Parizki, sagte, gegenwärtig dürfe man nichts unternehmen, um Abbas zu schwächen. Einige israelische Oppositionspolitiker warnten, der gescheiterte Angriff sabotiere die in Akaba vereinbarte Verwirklichung des Nahost-Friedensplans. Die Sprecherin der linken Merez-Partei meinte, die Aktion beweise erneut "den Gegensatz zwischen den Worten und Taten" von Ministerpräsident Ariel Scharon.
Kein Kommentar von Sharon
Scharons Büro verweigerte jeden Kommentar. Namentlich nicht genannte Regierungskreise sagten nach Angaben des israelischen Rundfunks, Israel werde "weiterhin gegen den Terror kämpfen", weil die Palästinenser dies selbst nicht täten.
Die gescheiterte Liquidierungsaktion Israels überschattete die Räumung von zehn jüdischen Kleinsiedlungen im Westjordanland seit Montagabend. In Armeekreisen hieß es, Israel werde im Rahmen des internationalen Nahost-Friedensplans insgesamt 95 der rund 120 Vorposten räumen. Ein Drittel davon sind noch bewohnt. Nach dem Nahost-Friedensplan müssen sie bereits in der ersten Phase von dessen Umsetzung geräumt werden.