Attacke auf Gaza-Hilfsflotte Israel lässt alle Aktivisten frei

Israel hat alle 632 inhaftierten Aktivisten der Gaza-Hilfsflotte frei gelassen. Sie wurden nach Jordanien oder in ihre Heimatländer abgeschoben. Ein pakistanischer Journalist erhebt indes schwere Vorwürfe: Die israelischen Soldaten hätten einigen der getöteten Aktivisten gezielt in den Kopf geschossen.

Zwei Tage nach dem blutigen Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte hat Israel am Mittwoch alle ausländischen Aktivisten wieder freigelassen. Eine Sprecherin der Gefängnisbehörde teilte mit, alle 632 internationalen Häftlinge seien aus der Haft entlassen worden und auf dem Heimweg. Wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte, konnten auch die letzten fünf festgehaltenen Bundesbürger das Gefängnis im israelischen Beerscheva verlassen. Ein weiterer, verletzter Deutscher werde noch im Krankenhaus versorgt.

Der Großteil der Häftlinge sei bereits in die Heimatländer zurückgekehrt, sagte der israelische Außenamtssprecher Jigal Palmor. Die meisten Freigelassenen seien Türken. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befanden sich die fünf freigelassenen Deutschen am Nachmittag auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv oder auf dem Weg dorthin. Die israelischen Behörden hätten zugesichert, "dass auch der verletzte deutsche Staatsangehörige zum Flughafen gebracht und außer Landes geflogen wird", sagte ein Ministeriumssprecher. Über die Art der Verletzung des 42-jährigen Mannes aus Nordrhein-Westfalen gab es keine genauen Angaben.

Israelische Sicherheitskräfte brachten die freigelassenen Ausländer mit Bussen zum internationalen Flughafen Ben Gurion. Mehr als 100 weitere Aktivisten, vor allem Muslime aus Ländern, mit denen Israel keine diplomatischen Beziehungen hat, wurden über die Grenze nach Jordanien abgeschoben. Rund 50 Aktivisten hatten Israel schon am Montag freiwillig verlassen.

Auch Obama will jetzt eine Untersuchung

Nachdem sich die USA zunächst zurückhaltend zu dem weltweit kritisierten Einsatz geäußert hatten, sprach sich nun auch US-Präsident Barack Obama für eine Untersuchung aus. In einem Telefongespräch mit dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan habe Obama eine glaubwürdige, unparteiische, transparente Untersuchung gefordert, teilte das Weiße Haus mit. Erdogan verlangte in dem Gespräch eine Aufhebung der israelischen Blockade des Gaza-Streifens.

Das türkische Parlament verurteilte den Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte am Mittwoch scharf. Die Abgeordneten forderten Erdogan auf, die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu Israel auf den Prüfstand zu stellen und wirksame Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen. Drei der sechs Schiffe der Hilfsflotte fuhren unter türkischer Flagge, mehrere hundert Türken waren an Bord.

Irisches Schiff mit Hilfsgütern auf dem Weg nach Gaza

Der UN-Menschenrechtsrat will den israelischen Einsatz von einem internationalen Ermittlungsteam aufklären lassen. 32 der 47 Mitgliedsländer des UN-Gremiums in Genf stimmten am Mittwoch für die Entsendung einer unabhängigen Untersuchungskommission. Die USA, Norwegen und Italien waren dagegen. Neun Länder, darunter auch weitere EU-Mitglieder, enthielten sich. In der Resolution wird Israel für sein Vorgehen gegen den Hilfskonvoi verurteilt.

Israels Marine hatte am Montag die sechs Schiffe der Gaza-"Solidaritätsflotte" im Mittelmeer angegriffen, um sie an der Fahrt zu dem seit drei Jahren blockierten Gaza-Streifen zu hindern. Dabei waren nach israelischen Angaben neun Aktivisten getötet worden, Dutzende wurden verletzt.

Ein irisches Schiff mit Hilfsgütern ist noch auf dem Weg nach Gaza. Die "Rachel Corrie" war wegen technischer Probleme hinter der "Solidaritätsflotte" zurückgeblieben. Irlands Außenminister Michael Martin forderte die israelische Regierung auf, das Schiff nicht zu blockieren. Es sei "zwingend erforderlich", dass es kein weiteres Blutvergießen und keine neuen Konfrontationen gebe, wenn das Schiff vermutlich in den kommenden Tagen in Gaza eintreffe.

Gezielte Kopfschüsse bei der Militäraktion?

Unterdessen kommen immer neue Details über den blutigen Militäreinsatz an die Öffentlichkeit. Ein an der Aktion beteiligter pakistanischer TV-Journalist erhob nach seiner Freilassung schwere Vorwürfe: Demnach sollen die Soldaten bei der Erstürmung der sechs Schiffe Aktivisten teils direkt in den Kopf geschossen haben. Der freigelassene schwedische Krimi-Autor Henning Mankell bezeichnete den Angriff als "Seeräuberei und Kidnapping".

Dagegen bezeichnete der Jüdische Weltkongress die Gaza-Aktivisten als "Lynchmörder" ("lynch mob"). Sie hätten die israelischen Soldaten mit Eisenstangen und anderen potenziell tödlichen Waffen angegriffen und damit die Konfrontation auf hoher See heraufbeschworen, heißt es in einer in New York veröffentlichten Erklärung. Empört kritisierte die Organisation die internationale Berichterstattung, in der "die gewalttätigen Aktivisten als humanitäre Helfer" dargestellt würden.

Israel begann am Mittwoch damit, die ersten Hilfsgüter der Solidaritätsflotte in den Gaza-Streifen zu bringen. Ein Armeesprecher sagte, dass zehn Lastwagen unter anderem Medikamente, Nahrungsmittel, Rollstühle und Kinderspielzeug zum Grenzübergang Kerem Schalom gebracht hätten. Obama bekräftigte, es müssten bessere Wege für die Lieferung von Hilfsgütern gefunden werden, ohne dass dabei die Sicherheit Israels gefährdet werde.

DPA
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