Der haitianische Rebellenführer Guy Philippe hat sich zum neuen Militärchef des Karibikstaates ausgerufen und die Festnahme von Ministerpräsident Yvon Neptune angekündigt. "Das Land ist in meiner Hand", erklärte Philippe im Radio Signal FM. Er versicherte aber auch, dass er sich dem Interimspräsidenten Boniface Alexandre unterordnen werde.
Neptune müsse sich Korruptionsvorwürfen stellen, sagte Philipp der Nachrichtenagentur AP am Telefon. Mit hunderten Anhängern zog er in Richtung von Neptunes Büro in einem Vorort der Hauptstadt Port-au-Prince, das von US-Marineinfanteristen bewacht wurde. Wo sich Neptune aufhielt, war nicht bekannt.
"Philippe hat keine Kontrolle über irgendwas"
Die USA wiesen die Aussagen Philippes zurück. Der Rebellenführer habe keine Kontrolle über irgendetwas, betonte der für die Region zuständige Staatssekretär im US-Außenministerium, Roger Noriega.
Entwaffnung verweigert
Trotz der Ankunft von Soldaten aus den USA, Kanada und Frankreich verweigerten die Aufständischen ihre Entwaffnung. Auch Philippe machte diesbezüglich zweideutige Aussagen. Zwar sagte er auf Nachfrage von Journalisten, die Rebellen würden auf Befehl des Präsidenten ihre Waffen abgeben. Weiter bekräftigte er jedoch seine Absicht, die Streitkräfte wieder aufzubauen, die den am Sonntag geflohenen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide 1991 schon einmal außer Landes getrieben hatten und 1995 von ihm aufgelöst worden waren.
Bin an Politik nicht interessiert
Philippe entkräftete jedoch die Furcht vor einer neuen Militärdiktatur. Flankiert von anderen Anführern des bewaffneten Aufstandes und hohen Polizeioffizieren erklärte er, dass er sich als Militärchef betrachte und an Politik nicht interessiert sei.
Aristide redet "Blödsinn"
Aristide beschwerte sich von der Zentralafrikanischen Republik aus, er sei von amerikanischen Truppen ins Exil gezwungen worden. "Sie sagten mir, sie würden nach einer gewissen Zeit zu schießen und zu töten anfangen, wenn ich nicht gehe", sagte er der Nachrichtenagentur AP. Die US-Regierung widersprach Aristide. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, nannte den Bericht "völligen Blödsinn". Aristide habe das Land aus freien Stücken verlassen. Dementis kamen auch von Außenminister Colin Powell und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.
Das Weiße Haus warf Aristide am Dienstag erneut eine verfehlte Regierungsführung vor. Dies habe bewaffneten Banden in die Hände gespielt und deren Machtgewinn ermöglicht, erklärte Sprecher McClellan. Die Regierung habe Korruption und Drogenhandel stillschweigend geduldet und sei gewaltsam gegen eine friedliche demokratische Opposition vorgegangen.
Annan fordert dauerhaftes Engagement
In Port-au-Prince begannen amerikanische und französische Soldaten am Montag damit, strategisch wichtige Punkte zu sichern. UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte von der internationalen Gemeinschaft ein dauerhaftes Engagement in Haiti. Die Stabilisierung des Landes könne Jahre in Anspruch nehmen.
Auf den Straßen der Hauptstadt waren am Dienstag noch Spuren der Rebellion zu sehen, die in den vergangenen drei Wochen 100 Menschen das Leben kostete. Ein Junge mit einer Kugel im Kopf wurde auf einem Platz im Stadtzentrum entdeckt.