Gelände der russischen Botschaft Ein Diplomat besetzt ein Grundstück – und heizt damit einen Streit zwischen Australien und Russland an

Ein Zaun umgibt ein scheinbar unbewohntes Gebäude auf dem Gelände einer geplanten neuen russischen Botschaft in Australien
Ein Zaun umgibt ein scheinbar unbewohntes Gebäude auf dem Gelände einer geplanten neuen russischen Botschaft in der Nähe von Australiens Parlament. Ein mutmaßlich einsamer russischer Diplomat wurde offenbar auf dem Gelände der geplanten Botschaft, gegen die die australische Regierung ein Veto eingelegt hat, gesehen. 
© Rod McGuirk/AP / DPA
Russland wollte in der australischen Hauptstadt eine neue Botschaft bauen. Aus Sicherheitsgründen hat Australien dies untersagt. Russland zieht deshalb nun vor Gericht. Doch im Mittelpunkt steht ein Besetzer des verlassenen Botschaftsgeländes.

Ein Mann in dunkler Jacke und Jeans qualmt auf einem Baugrundstück eine Zigarette – und macht dieser Tage damit Schlagzeilen in Australien. Denn er ist nicht irgendein Mann, der dort einfach nur unschuldig eine Zigarette raucht. Er soll ein russischer Diplomat sein, der auf einem Grundstück verharrt, das eigentlich die neue russische Botschaft werden sollte.

Die Betonung liegt auf eigentlich. Denn die australische Regierung hat den Bau der neuen Diplomateneinrichtung verhindert. Diese sollte in direkter Nähe des Parlamentes in der Hauptstadt Canberra entstehen. Aus Gründen der "nationalen Sicherheit" hat die Labor-Regierung von Premierminister Anthony Albanese dies aber in der vergangenen Woche untersagt.

Gesetz im Eilverfahren durch die Parlamente gejagt

"Die Regierung hat sehr klare Sicherheitshinweise zu den Risiken bekommen, die eine neue russische Präsenz so nah am Parlamentsgebäude mit sich gebracht hätte", sagte Albanese auf einer Pressekonferenz. Mit Unterstützung der Opposition brachte seine Regierung die gesetzliche Grundlage für den Beschluss im Eilverfahren durch beide Parlamentskammern – das Ganze dauerte keine zwei Stunden.

Rechtlich betrachtet verbietet das Gesetz zwar den Bau jeglicher diplomatischer Vertretungen auf dem Grundstück – egal welchen Landes. Es ist aber offensichtlich, dass sich das Gesetz gegen Russland richtet.

Hintergrund ist ein vor wenigen Wochen gefälltes Gerichtsurteil. Darin wurde der Planungsbehörde der australischen Regierung untersagt, Russland das Nutzungsrecht für das gepachtete Gelände im Botschaftsviertel Canberras zu entziehen. Mit dem Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen wurde dieses Urteil nun ausgehebelt. Die derzeitige russische Botschaft im Vorort Griffith bleibe davon ebenso unberührt wie die australische Vertretung in Moskau, sagte Albanese.

In diesem kleinen Wohncontainer lebt der Landbesetzer
In diesem kleinen Wohncontainer lebt der Landbesetzer
© Yoann CAMBEFORT / AFP

Medien sprechen vom "Hausbesetzer-Kampf"

Die Planungsbehörde hatte der Verpachtung des Grundstücks im Dezember 2008 zugestimmt, die Baugenehmigungen wurde 2011 erteilt – der Botschaftsneubau wurde jedoch nie fertiggestellt. Im August 2022 hatte die australische Regierung versucht, den Pachtvertrag wegen Nichteinhaltung einiger Klauseln der Baugenehmigung zu kündigen. Dies wurde jedoch im Mai von einem Gericht für ungültig erklärt. Über die künftige Nutzung des Geländes ist nach Angaben des australischen Innenministeriums noch nicht entschieden worden.

Ein Problem gibt es allerdings noch: den Besetzer des Grundstücks. Fernsehteams und Fotografen konnten ihn mit der Kamera einfangen. Er scheint einen weißen Wohncontainer auf dem ehemaligen Botschaftsgelände bezogen zu haben und dort seit einigen Tagen zu leben. "Squotter stoush", betitelte der Fernsehsender Channel 9 die Situation – "Hausbesetzer-Kampf".

Ein Foto des mutmaßlichen russischen Diplomaten auf dem besagten Gelände
Ein Foto des mutmaßlichen russischen Diplomaten auf dem besagten Gelände
© Yoann CAMBEFORT / AFP

Doch von einem richtigen Kampf kann keine Rede sein. Der Mann wird zwar von der australischen Bundespolizei observiert und das Gelände gehört formal nicht mehr zur Botschaft. Da es sich bei ihm aber mutmaßlich um einen Diplomaten handelt – auch wenn er offenbar nicht auf der offiziellen Liste russischer Vertreter in Australien steht –, genießt er eine entsprechende Immunität, die eine Festnahme verhindert. Würde er zur Persona non grata erklärt, wäre allerdings eine Ausweisung nach Russland möglich.  

Abgeordneter: Das Grundstück "ist nicht die Ukraine"

Premierminister Albanese sieht in dem Diplomaten und seiner Landbesetzung jedoch keine Gefahr. "Ein Kerl, der in der Kälte auf einem Stück Gras in Canberra steht, ist keine Bedrohung für unsere nationale Sicherheit", sagte er. Das Gelände sei gesichert. "Die Verfahren zur formellen Inbesitznahme des Geländes durch den Commonwealth sind im Gange."

Die Opposition sieht das anders. Simon Birmingham, Senator der Liberalen Partei, schlug einen schärferen Ton an. Die Regierung dürfe "einen solch eklatanten Rechtsbruch nicht hinnehmen". "Herr Albanese schien zu glauben, dass es sich um eine humorvolle oder lächerliche Angelegenheit handelt, was nicht der Fall ist."

Der Abgeordnete Keith Pitt sagte in einem Fernsehinterview an den russischen Diplomaten gerichtet, Australien sei "nicht die Ukraine" und er könne "nicht einfach Land besetzen und beanspruchen".

Russland zieht gegen Australien vor Gericht und reagiert mit Sanktionen

Der Streit zwischen Moskau und Canberra dürfte auch juristisch weitergehen: Die russische Botschaft hat sich an den Obersten Gerichtshof in Australien gewandt und gegen die Kündigung des Pachtvertrags geklagt, wie die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtet.  

Moskau sehe in der Kündigung des Pachtvertrags einen "offensichtlich politisierten und unfreundlichen Schritt", der darauf abziele, "die bilateralen Beziehungen, die sich dank der Bemühungen des offiziellen Canberra auf einem historischen Tiefpunkt befinden, weiter zu beschädigen".

In den Gerichtsdokumenten, aus denen der Sender ABC zitiert, fordert die russische Seite, den australischen Behörden und ihren Mitarbeitern das Betreten des Geländes und die Weitervermietung zu untersagen, und behauptet, dass bereits mehr als acht Millionen Dollar für die Bauarbeiten ausgegeben worden seien.

Auf die Klage reagierte die australische Regierung – wie auf den Grundstücksbesetzer – gelassen. Sie sei "keine Überraschung", sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. "Die Anfechtung der Gültigkeit des Gesetzes durch Russland kommt nicht unerwartet. Das ist Teil des russischen Drehbuchs."

Am Freitag folgte dann eine weitere "Wie du mir, so ich dir"-Schritt aus Moskau: Das dortige Außenministerium verhängte Einreiseverbote gegen mehrere australische Geschäftsleute, Politiker und Journalisten, wie ABC News berichtete.

Quellen: Nachrichtenagenturen DPA, AFP und Ria Novosti, Channel 9, ABC, SBS, Sky News Australia