Als der Held des Tages den Schauplatz verlässt, treten die Angestellten des Restaurants Junior's vor die Tür und applaudieren. Doch der Mann, der am Samstagabend die Polizei auf ein verdächtiges Auto nahe dem Times Square in New York aufmerksam gemacht hatte und so ein Feuer oder gar eine Explosion in der Menschenmenge verhinderte, will am Tag danach erst einmal seine Ruhe haben. "Ich werde nichts sagen, ich werde nichts sagen" - das ist alles, was die TV-Teams zu hören bekommen, wenn sie ihm ihre Mikrophone hinstrecken. Nicht einmal seinen Namen will der T-Shirt-Verkäufer nennen. Doch ein Namensschild um den Hals verrät ihn als Lance Orton.
Als er gefragt wird, ob er stolz sei auf seine Tat, ist die Antwort kurz: "Natürlich, Mann, ich bin Veteran. Was denkst du denn?" Er kämpfte im Vietnam-Krieg, seit 20 Jahren verdient er sein Geld als Straßenhändler im Zentrum New Yorks. Seine Kunden sind die Hunderttausende von Touristen, die am Times Square die besondere Atmosphäre der Stadt erleben wollen, zwischen den Bürohochhäusern von Midtown und den Restaurants und Theatern am Broadway. Hier, in der 45. Straße, war ihm am Samstag kurz vor 18.30 Uhr der Nissan-Geländewagen aufgefallen, der mit laufendem Motor und eingeschalteter Warnblinkanlage parkte. Als in dem Auto auch noch eine merkwürdige Qualmwolke aufstieg, machte der T-Shirt-Verkäufer einen berittenen Polizisten darauf aufmerksam.
An dem am Samstagabend von zahlreichen Touristen besuchten Times Square hatte die Polizei in einem geparkten Auto eine Bombe gefunden, sagte der Bürgermeister New Yorks, Michael Bloomberg. New York habe ein "sehr tödliches Ereignis" gedroht.
Der belebte Theaterbezirk im Herzen Manhattans war evakuiert worden. "Wir haben sehr viel Glück gehabt", sagte der Bürgermeister am frühen Sonntagmorgen. Wer hinter dem versuchten Anschlag stecke, sei noch unklar. Der Sprengsatz wirkte laut Bloomberg "amateurhaft", hätte aber "mit Sicherheit" detonieren können.
Die Behörden müssten sich nun darauf konzentrieren, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, sagte Gouverneur Paterson. Die New Yorker hätten es der Polizei der Stadt und eben jenem T-Shirt-Verkäufer zu verdanken, dass nichts passiert sei. Orton war augefallen, dass der Wagen in ungewöhnlicher Position, mit laufendem Motor und eingeschalteter Warnblinkanlage am Bordstein geparkt war. Die Polizei alarmierte die Feuerwehr, die wiederum das Bombenentschärfungsteam rief.
Ziel war ein "großes Feuer"
New Yorks Polizeichef Raymond Kelly sagte, in dem Nissan-Geländewagen seien drei Propangasbehälter, zwei Benzinkanister, Kabel, handelsübliche Feuerwerkskörper und zwei Uhren gefunden worden. Ziel des Anschlags sei ein "großes Feuer" gewesen. Unklar war zunächst, ob die Uhren als Zeitzünder verwendet wurden. Der dunkelgrüne Wagen hatte falsche Nummernschilder, die laut New York Times kurz zuvor von einem Ford Pickup auf einem Schrottplatz gestohlen wurden. Der Nissan wurde zunächst vor Ort untersucht und anschließend zur Spurensicherung zu einer Polizeiwache gebracht.
Die Polizei riegelte das Gebiet für mehrere Stunden weiträumig ab und leitete eine Großfahndung nach dem Fahrer des Wagens ein. Das verdächtige Fahrzeug war den Angaben zufolge an der Kreuzung der 45. Straße und der siebten Avenue geparkt.
Um 18.28 Uhr (Ortszeit) sei der Wagen von einer Überwachungskamera gefilmt worden, so Kelly. Ein Fahrer sei auf den Bildern aber nicht erkennbar. Jetzt würden weitere Überwachungsvideos gesichtet, das sollte aber Stunden dauern. Der Polizeichef rief Touristen und New Yorker auf, Verdächtiges zu melden. Der Sicherheitsexperte und frühere New Yorker Polizist Thomas Ruskin rief Touristen auf, ihre Urlaubsvideos von dem Abend durchzusehen. Möglicherweise sei bei der großen Zahl der Kameras der Verdächtige gefilmt worden.
Obama lobte schnelle Reaktion der Polizei
Bereits an Silvester war der Times Square wegen eines verdächtigen Fahrzeugs vorübergehend geräumt worden, damals handelte es sich allerdings um Fehlalarm.
US-Präsident Barack Obama wurde nach Angaben seines Sprechers Robert Gibbs über den versuchten Anschlag informiert. Obama habe die schnelle Reaktion der New Yorker Polizei gelobt und seinen stellvertretenden Sicherheitsbeauftragten John Brennan damit beauftragt, die Ermittlungen zu unterstützen.
Als die Polizei am Sonntagmorgen die Sperren rund um den Times Square aufgehoben hatte, konnte Orton, wie andere Straßenhändler auch, endlich seine Sachen zusammenpacken. Nach einem langen Tag und einer langen Nacht humpelte er zum Taxi und verschwand.
Talibangruppe bekennt sich angeblich
Am Sonntagabend teilten die auf Beobachtung terroristischer Aktivitäten spezialisierten amerikanischen Institute Site und IntelCenter mit, dass sich eine pakistanische Talibangruppe hat sich zu dem fehlgeschlagenen Anschlag bekannt hätte. Die Gruppe Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) habe in einem Video erklärt, der Anschlag sei die Vergeltung für den Tod von zwei Islamistenführern Mitte April. Konkrete Hinweise auf eine Täterschaft pakistanischer Taliban gab es zunächst aber nicht. Korrespondenten in Pakistan äußerten ebenfalls Zweifel.
In der Erklärung des IntelCenter hieß es, es sei sehr unwahrscheinlich, dass der Anschlag wirklich innerhalb so kurzer Zeit nach dem Tod der Islamistenführer vor knapp 14 Tagen geplant und umgesetzt wurde. Solche Anschläge würden von langer Hand, oft Monate voraus geplant. Manchmal würden dann allerdings aktuelle Ereignisse benutzt, um sie zu begründen.