Brexit-Tauziehen "Land in Geiselhaft": Johnson attackiert britisches Parlament

Der Tonfall wird schärfer: Wenige Tage vor dem geplanten Austritt der Briten aus der EU ist weiter keine Lösung in Sicht – in Boris Johnsons Augen ist vor allem das britische Parlament daran schuld. In einem Zeitungsartikel attackierte der Premier die Abgeordneten heftig.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat am Tag vor einer möglicherweise drohenden weiteren Abstimmungsniederlage im Parlament den Abgeordneten vorgeworfen, das Land in Geiselhaft zu halten. Der "Sunday Express" zitierte Johnson am Sonntag mit heftigen Vorwürfen gegen das Parlament. "Mehr als drei Jahre lang hat das Parlament dem Land ständig gesagt, was es nicht will. Aber es hat nie sagen wollen oder können, was es will."

Dies habe zu einem Stillstand geführt. "Das Parlament kann das Land nicht länger in Geiselhaft nehmen", wird Johnson weiter zitiert. Millionen von Unternehmen und Menschen könnten ihre Zukunft nicht ordentlich planen. "Diese Lähmung verursacht echten Schaden und das Land muss im Jahr 2020 sich vorwärts entwickeln."

Oppositionsparteien legen Plan für Neuwahlen vor

Unterdessen machten die Liberaldemokraten und die schottische Nationalpartei SNP einen gemeinsamen Vorstoß, Johnson einen Weg zu den von ihm gewünschten Neuwahlen zu eröffnen.

Der Premier will am Montag darüber abstimmten lassen, ob es am 12. Dezember zu einer Parlamentswahl in Großbritannien kommt. Unter der bisher gültigen Gesetzgebung braucht er dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit – und damit die Zustimmung eines guten Teils der Abgeordneten der Labour-Partei. Deren Vorsitzender Jeremy Corbyn hatte sich jedoch zurückhaltend geäußert und will erst eine Entscheidung in Brüssel über die Länge einer Verlängerung der Brexit-Frist abwarten. 

Boris Johnson
Grimmiger Blick: Auf das britische Parlament ist Premier Boris Johnson nicht gut zu sprechen
© Paul Grover / Daily Telegraph / PA Wire / DPA

Die Liberaldemokraten boten nun gemeinsam mit der SNP an, eine Neuwahl am 9. Dezember zu unterstützen, wenn es gleichzeitig eine Brexit-Verlängerung bis zum 31. Januar gibt. Dafür könnte ein neues Gesetz mit einfacher Mehrheit geschaffen und somit die Notwendigkeit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ausgehebelt werden. Die Stimmen von Johnsons Tories gemeinsam mit Liberaldemokraten und SNP würden dafür ausreichen.

Die EU müsse jedoch zuvor dem britischen Antrag auf einen Brexit-Aufschub bis zum 31. Januar stattgeben – ohne Möglichkeit, die EU zuvor zu verlassen, schrieben die Parteichefs der SNP und der Liberaldemokraten, Ian Blackford und Jo Swinson, in einem am Samstagabend via Twitter veröffentlichten Brief an EU-Ratschef Donald Tusk. Mit einer Verlängerung mindestens bis Ende Januar oder später könne die Opposition zusammenarbeiten, um eine Wahl zu ermöglichen. "Wir alle hoffen aber, dass eine Wahl stattfinden wird, damit die ausweglose Situation aufgebrochen wird."

Nur noch weniger Tage bis zu Boris Johnsons geplantem Brexit

Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten unterstützen EU-Diplomaten zufolge die erneute Verlängerung der Frist. Frankreich hatte indes bis zuletzt darauf beharrt, nur eine kurze technische Verlängerung zu gewähren, um die Ratifizierung des Abkommens in Großbritannien abzuschließen. Geschieht wider Erwarten in den nächsten Tagen nichts, endet die britische Mitgliedschaft am 31. Oktober um Mitternacht ohne Vertrag.

Wie es in dem Bericht des "Sunday Express" weiter heißt, sollen mittlerweile die finalen Schritte der "Operation Yellowhammer" eingeleitet worden sein. Dahinter verbirgt sich ein Masterplan der Regierung, wie das Land mit den Folgen eines No-Deal-Brexit umgehen soll. 

Der britische EU-Austritt war ursprünglich für den 29. März vorgesehen, wurde aber im Frühjahr zweimal verschoben.

DPA
mik