China-Besuch Steinmeier pocht auf Menschenrechte

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem China-Besuch nicht nur freundliche Töne angeschlagen. Er mahnte das Reich der Mitte vor allem zur Einhaltung der Menschenrechte. Dazu zählt für seinen Kollegen Li auch das Abendessen.

Li Zhaoxing ist für Frank-Walter Steinmeier fast schon ein alter Bekannter. Drei Mal traf sich der Bundesaußenminister seit Amtsantritt vor vier Monaten mit seinem Kollegen aus China. Beim Besuch des Deutschen in Peking spricht Li deshalb schon vertraut von "meinem Freund Steinmeier" und schwärmt von einem "unvergesslichen Abendessen" vor drei Wochen in London bis tief in die Nacht in kleiner Außenministerrunde. Die harmonische Erinnerung wird für den Chinesen Li nur durch eins getrübt: "Keiner der Teilnehmer wurde damals richtig satt."

Für diesen gastronomischen Wermutstropfen war aber letztlich der gastgebende Brite Jack Straw verantwortlich und so konnten sich Steinmeier und Li vor den Kameras jovial und entspannt im Umgang geben. Hinter verschlossenen Türen ging es aber zur Sache.

"Ich hoffe, dass meine Mahnungen auf offene Ohren stoßen"

Steinmeier setzte sich bei seinem Besuch auch für eine bessere Einhaltung der Menschenrechte und gegen Chinas Zensur im Internet ein. "Ich hoffe, dass meine Mahnungen, die ich hier hinterlassen habe, auf offene Ohren stoßen und Reaktionen hervorrufen", sagte Steinmeier. Der Minister begrüßte die Freilassung des chinesischen Aktivisten Yu Dongyue, der während der Demokratiebewegung 1989 Farbe auf ein Porträt Mao Tsetungs geworfen hatte, nach fast 17 Jahren Haft. "Ich freue mich sehr darüber und wir setzen uns dafür ein, dass auch andere freigelassen werden", sagte Steinmeier. Er reagierte damit auch auf eine Frage nach rund 70 politischen Gefangenen, die seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 heute immer noch in Haft gehalten werden.

Steinmeier brachte zur Freude vieler deutscher Firmen auch die in China weit verbreitete und geduldete Praxis des "Technologieklaus" zur Sprache, die dem Motto folgt: Anlocken, Kopieren, Nachbauen. Der Streit über Urheberrechtsverletzungen müsse schnellstens aus der Welt geschafft werden, forderte "Freund Steinmeier". "Darüber müssen wir diskutieren."

Der Minister aus dem Land der Tugenden

Allerdings ist die Forderung so alt wie die hochfrequente deutsche Besuchsdiplomatie seit dem Boom im "Reich der Mitte". Befeuert wurde die Debatte durch die jüngste Bekanntgabe eines chinesischen Konkurrenzprodukts für den deutschen Transrapid. Auch hier gibt es Plagiatsvorwürfe. Das Transrapid-Thema war auch gut für eine handfeste Überraschung, die den Minister in Peking kalt erwischte. Während er vertrauliche Gesprächen mit Chinas Spitze führte, schoss Steinmeiers Partei- und Kabinettskollege Wolfgang Tiefensee aus Berlin die Nachricht ab, dass Chinas Regierung grünes Licht für den lang erwarteten Ausbau der Transrapid-Strecke von Schanghai nach Hangzhou gab.

Davon sagten die Gesprächspartner, zu denen immerhin auch Chinas Regierungschef Wen Jiabao gehörte, dem Gast aus "Deguo" (Land der Tugenden), wie Deutschland in China genannt wird, nichts. Er musste sich die Bestätigung erst über den Umweg Berlin von Transrapid International holen. Allerdings war von Verstimmung nichts zu merken. Für den pragmatischen Steinmeier zählt die erfreuliche Entscheidung mehr als der protokollarische Mitteilungsweg. China und Deutschland sind in ihrer Region füreinander die wichtigsten Handelspartner. Das weiß auch Kanzlerin Angela Merkel, die - noch vor dem Gastgeber - von Berlin aus ihren China-Besuch am 22./23. Mai verkünden ließ.

Abendessen ist ein "wichtiges Menschenrecht"

Auch ihr Vorgänger Gerhard Schröder pilgerte jährlich mit einer ranghohen Wirtschaftsdelegation in die Volksrepublik. Dort erinnert man sich seiner gerne, nicht zuletzt weil Schröder sich zum Unmut vieler in Europa konsequent für die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China einsetzte, das nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens von 1989 verhängt wurde. Das Thema dürfte auch beim Besuch der Kanzlerin angesprochen werden, schätzt Steinmeier. Dann aber mit anderen Vorzeichen: Die neue Bundesregierung will sich nicht aktiv für eine Aufhebung einsetzen und nur in Abstimmung mit den EU-Partnern eine Entscheidung treffen, die aber seit dem Säbelrasseln Chinas gegenüber Taiwan in weite Ferne gerückt ist.

Als Voraussetzung gelten Fortschritte bei den Menschenrechten. Das für Europäer unvermeidliche Thema ging Steinmeier weniger scharf an als sein Vorgänger Joschka Fischer. Der hatte konkret die extrem hohe Zahl von Hinrichtungen und Umerziehungslager kritisiert, während Steinmeier in der Pressekonferenz mit Li nuanciert von "bürgerlichen Freiheitsrechten" sprach. Der Chinese, von zahllosen Ministerbesuchen aus Europa an die Frage längst gewöhnt, nahm das Wort Menschenrechte ungeniert in den Mund - allerdings mit einer nicht nur für Oppositionelle zynisch klingenden Gewichtung: Eingedenk des nachwirkenden "Gastronomie-Traumas" von London schloss er nach zwei Fragen die Pressekonferenz und eilte mit seinem deutschen Gast zum Abendessen. Auch dies sei ein "wichtiges Menschenrecht", befand Li.

Reuters
Reuters