Großbritannien zwickt es derzeit überall: Wegen des Brexits fehlen Arbeitskräfte, weshalb die Kosten für Energie, Transporte und Produkte steigen, wenn letztere überhaupt noch in den Regale der Geschäfte landen. Nach dem Jahreswechsel werden noch die Zölle und Steuern angehoben, auch die Inflation dürfte weiter zunehmen. Rund 1200 Pfund, also rund 1400 Euro Mehrkosten kommen Schätzungen zufolge auf jeden britischen Haushalt zu. Das Volk kann also gute Nachrichten dringend gebrauchen. Und die kommen nun von Regierungschef Boris Johnson.
Wobei gut relativ ist, zumindest aber werden sie viele Engländer gerne hören. Denn der Premierminister "genehmigt" trotz neuer Rekordwerte bei den Corona-Infektionen die Silvesterfeiern. "Alle sollen den Jahresausklang genießen", sagte er jetzt. Obwohl die Zahl der Neuinfektionen sowie die der Krankenhauseinweisungen steige, gebe es einen großen Unterschied, so Johnson "Die große Zahl an Booster-Impfungen sorge für deutlich mildere Verläufe der Infektionen. Das erlaubt uns, Neujahr so behutsam zu feiern, wie wir es tun."
Johnson verzichtet auf schärfere Corona-Regelungen
Der Regierungschef hatte kürzlich eine Verschärfung der Regeln über Neujahr ausgeschlossen. In Theatern, Kinos und Museen sowie in Läden und im öffentlichen Nahverkehr muss Maske getragen werden, und für Clubs und Großveranstaltungen gelten die 3G-Regeln. Pubs, Discos und Restaurants haben aber weitestgehend ohne Einschränkungen geöffnet. In den britischen Landesteilen Schottland, Wales und Nordirland gelten deutlich strengere Regeln. Es wird befürchtet, dass Zehntausende Schotten und Waliser die laxeren Regeln in England ausnutzen und zu Silvesterfeiern anreisen.
Johnson sagte weiter, die "überwältigende Mehrheit" der Menschen auf Intensivstationen habe keine Auffrischungsimpfung erhalten. Es handle sich um bis zu 90 Prozent der Corona-Patienten. Der Premier rief alle Menschen auf, die bisher keinen Booster hatten, sich möglichst bald eine Spritze geben zu lassen. Jedem werde bis Jahresende ein Impftermin angeboten, sagte Johnson. Bisher haben 57 Prozent der über 12-Jährigen eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Auch die Corona-Selbsttests werden knapp
Zuletzt wurden mit 129.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden ein neuer Höchstwert bei den Corona-Fällen gemeldet. Die Zahlen aus Nordirland und Schottland lagen wegen Verzögerungen bei der Datenübermittlung über die Feiertage noch nicht vor. Die schottischen Behörden meldeten lediglich eine vorläufige Bilanz von 9360 Neuansteckungen.
Wegen des rasanten Anstiegs der Omikron-Variante gehen den Apotheken auch noch die kostenlosen Schnelltests aus. Täglich werden derzeit 900.000 Tests zur Verfügung gestellt. Diese Menge reiche bei weitem nicht aus, sagte die Chefin des Branchenverbandes Association of Independent Multiple Pharmacies, Leyla Hannbeck, dem Sender BBC Radio 4. "Etwa alle fünf Minuten kommt jemand und fragt nach einem Test." Grund für die enorme Nachfrage seien die aktuellen Richtlinien der Regierung. Demnach sollen alle Menschen, die Kontakt mit Infizierten hatten, sich eine Woche lang täglich auf das Virus testen. Die kostenlosen Selbsttests können auch online bestellt werden. Die Gesundheitsbehörde UK Health Service Agency (UKHSA) räumte ein, dass es dabei immer wieder wegen Engpässen keine Tests gebe.
Quellen: BBC, DPA, AFP, "Guardian"