Sojabohnen statt Eskalation heißt die Devise seit Mittwochabend. Jean-Claude Juncker und Donald Trump konnten sich zu einer gemeinsamen Erklärung im Handelsstreit durchringen. Die aufgeladene Stimmung zwischen den USA und der EU hat sich fürs erste beruhigt. Die Kommentatoren sind sich aber uneins, ob dieser Zustand andauern wird. Der EU-Chef hinterließ dennoch einen bleibenden Eindruck.
Deutschland
"Süddeutsche Zeitung": "Der Dank für die überraschende Einigung von Washington gebührt Jean-Claude Juncker, dem alten Haudegen der europäischen Politik, der manchen Wegbegleiter mit demonstrativer Amtsmüdigkeit und seiner Leck-mich-Haltung zuletzt an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Für die Verhandlungen mit Donald Trump, dem halbstarken Poltergeist der Weltpolitik, aber war er genau der Richtige: nicht so zurückhaltend-unergründlich wie Merkel, nicht so konformistisch-aggressiv wie Macron. Die Mischung aus Schnoddrigkeit und Kumpelhaftigkeit, die der EU-Kommissionschef so bravourös beherrscht, imponierte Trump."
"Die Welt": "Die Einigung mit den Europäern ist nun quasi ein Eingeständnis Trumps, dass er sich überhoben hat und dass er eine Frontbegradigung brauchte. Denn inzwischen zeigen sich die negativen Folgen seines Handelskrieges sowohl bei Stahl verarbeitenden Unternehmen wie auch bei den Bauern. Und die Republikaner mussten fürchten, dafür bei den Zwischenwahlen im November abgewatscht zu werden."
Österreich
"Der Standard": "Hut ab vor Jean-Claude Juncker: Der alte Fuchs hat am Mittwoch bewiesen, dass er auch in der schwierigsten politischen Situation einen diplomatischen Ausweg finden kann. Ohne echte Zugeständnisse hat der EU-Kommissionspräsident Donald Trump davon abgebracht, neue Strafzölle auf europäische Autoimporte zu verhängen, was dieser wochenlang angedroht hatte. Stattdessen wird in den kommenden Monaten und Jahren zwischen den USA und der EU über die Senkung von Handelsbarrieren verhandelt – was sich Unternehmen schon die ganze Zeit wünschen."
Schweiz
"Tagesanzeiger": "Die hehre Absichtserklärung, die Trump und Juncker am Ende ihres Treffens abgegeben haben, bedeutet keine Normalisierung der Lage - nicht nur was die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA betrifft. 'Wir verhandeln nicht mit einer Pistole am Kopf', hat der französische Finanzminister Bruno Le Maire im Vorfeld erklärt. Die passende Beschreibung zeigt, wie wenig es bedeutet, dass Trump die aufgeschreckten Europäer jetzt wieder Freunde nennt."
Italien
"La Repubblica": "Der Frieden ist geschlossen. Donald Trump und Jean-Claude Juncker haben eine Einigung gefunden. (...) Noch bevor die beiden Anführer die Einigung in einer gemeinsamen Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses bestätigen - 'es ist ein großer Tag', sagt Trump -, steigen die ersten Aktienindizes bereits wieder. Beruhigt durch erzwungenes Lächeln und die typischen Höflichkeiten, mit denen das Treffen begonnen hatte. (...) Vorerst sorgt das Abkommen für Entspannung zwischen den beiden Seiten des Atlantiks. Der Handelskrieg ist vorerst abgewendet."
USA
"Politico": "Viele der Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens entsprechen den Prioritäten der EU. In Brüssel und den anderen Hauptstädten müssen die Regierungen nur wenige neue Maßnahmen in die Wege leiten. Sie hatten bereits erwartet, dass die Importe von US-Sojabohnen als Reaktion auf Trumps größeren, brutaleren Handelskrieg mit China stark ansteigen würden. Und die EU hat lange gehofft, fast alle Zölle auf Industriegüter zu beseitigen. Schon in den Verhandlungen mit der Obama-Regierung hatte sie daraufhin gearbeitet, bevor die Gespräche abrupt endeten.
Kurz gesagt, die EU-Autos von Zöllen zu verschonen, bietet Deutschland eine Atempause vor Trumps Zorn und gibt den Europäern den nötigen Spielraum für weitere Verhandlungen."