Schweigegeldprozess Wie die Verteidiger von Donald Trump versuchen, aus Stormy Daniels eine Lügnerin zu machen

Auf dieser Gerichtszeichnung sagt Stormy Daniels im Zeugenstand in Manhattan aus. Auf den Monitoren im Strafgericht wird ein Werbebild für eine ihrer Shows gezeigt - darauf zu sehen: Donald Trump und sie.
Auf dieser Gerichtszeichnung sagt Stormy Daniels im Zeugenstand in Manhattan aus. Auf den Monitoren im Strafgericht wird ein Werbebild für eine ihrer Shows gezeigt - darauf zu sehen: Donald Trump und sie.
©  Elizabeth Williams / dpa
Hat Donald Trump Geschäftsdokumente gefälscht, um sich in der Präsidentschaftswahl 2016 einen Vorteil zu verschaffen? Darum sollte es eigentlich gehen. Doch nun dreht sich der Prozess vor allem um Sex, Kondome und Glaubwürdigkeit – mit kaum absehbaren Folgen.

Als Susan Necheles ihre Frage stellt, weiß sie schon, was Stormy Daniels antworten wird. "Sie haben sich das alles ausgedacht, oder", fragt die Verteidigerin von Donald Trump. Sie spricht laut, schnell und bestimmt. "Nein", hält Daniels mit erboster Stimme dagegen. Natürlich würde sie dieser Unterstellung widersprechen, was auch sonst. Doch in amerikanischen Strafverfahren, in denen am Ende eine Jury entscheidet, geht es nicht immer um das, was der Wahrheit am nächsten kommt. Es geht darum, welche Seite glaubwürdiger als die andere erscheint – oder sich am wenigsten in Widersprüche verstrickt.

Hat Daniels sich das alles nur ausgedacht? Zumindest der Gedanke steht nun im Raum. Susan Necheles und ihre Kollegen wollen erreichen, dass die Geschworenen der Zeugin nicht glauben. Eine oder einer mit Zweifeln wäre für das Team Trump schon ein Erfolg, schließlich müssen die zwölf Geschworenen am Ende einstimmig entscheiden. 

Am Dienstag hatte die frühere Pornodarstellerin ausgesagt, dass sie im Jahr 2006 Sex mit dem damaligen Unternehmer und Reality-TV-Star hatte. Daniels gab so viele Details preis, dass Klatschblätter überall auf der Welt ihr Glück kaum fassen konnten. Trump habe sich auf einem Bett in Boxershorts geräkelt. Er habe Daniels versichert, dass er mit seiner Frau Melania nicht mehr im gleichen Zimmer schlafe. Dass die Pornodarstellerin ihn an seine Tochter Ivanka erinnern würde. Und dass er beim Geschlechtsverkehr kein Kondom verwendet habe.

Der Sex mit Trump ist nicht relevant, oder doch?

Wäre der Prozess im Fernsehen übertragen worden, wären die Quoten wohl bombastisch gewesen. Der Punkt ist nur: In diesem Strafverfahren geht es um den Vorwurf, Trump habe eine indirekte Schweigegeldzahlung an Daniels in den Unternehmensbilanzen versteckt, um sich bei der Präsidentschaftswahl 2016 einen Vorteil zu verschaffen. Die Frage, ob die beiden Sex hatten, ist für den Fall nicht relevant.

Oder etwa doch?

Am Donnerstag, als Stormy Daniels zum zweiten Mal vor Gerichte aussagte, ging es genau um diese Frage. Die Verteidigung versuchte zwei Dinge zu erreichen. Sie wollte Daniels als eine Frau darstellen, die permanent lügt und Geld auf Kosten von Trump verdienen will.

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Susan Necheles versuchte Daniels Karriere als Pornodarstellerin gegen sie zu verwenden. "Sie haben viel Erfahrung darin, vorgetäuschte Geschichten über Sex als wahr erscheinen zu lassen", sagte die Anwältin. 

"Wow", antwortete Daniels mit einem Lachen. "So würde ich es nicht ausdrücken. Der Sex in den Filmen ist sehr real. Genau wie das, was mir in diesem Zimmer passiert ist." Gemeint ist die Hotelsuite, in der es 2006 zum Sex gekommen sein soll.

Necheles fragte weiter: "Haben Sie viel Erfahrung darin, diese fiktiven Geschichten auswendig zu lernen?" Daniels antwortete, sie habe "viel Erfahrung darin, Dialoge auswendig zu lernen, nicht aber darin, wie man Sex hat – ich bin mir ziemlich sicher, dass wir alle wissen, wie man das macht". Da konnte sich sogar Todd Blanche, der Chefanwalt von Donald Trump, ein Lachen nicht verkneifen.

Die Verteidigung will das Verfahren platzen lassen

Zum Showdown zwischen Anklage und Verteidigung kam es am späten Donnerstagnachmittag, als die Geschworenen den Saal bereits verlassen hatten. Das ist stets der Moment, in denen es um grundsätzliche Verfahrensfragen geht. Todd Blanche stellte den Antrag, der Richter solle den Prozess für fehlerhaft erklären. Ein sogenannter "mistrial" würde dazu führen, dass die Jury entlassen werden würde und der Prozess komplett neu beginnen müsste. Das dürfte wohl Monate dauern und wäre vor der Wahl kaum realistisch. 

Blanche ging es insbesondere um den Aspekt, ob der Geschlechtsverkehr einvernehmlich passiert sei. Daniels hatte ausgesagt, sie sei nicht von Trump bedroht worden. Es habe aber ein "Machtungleichgewicht" gegeben. "Er war größer und blockierte den Weg", sagte Daniels. Aus Blanches Sicht sei das eine "Andeutung einer Vergewaltigung" gewesen und deshalb vorverurteilend. Ein fairer Prozess sei für Trump dadurch unmöglich.

Stern-Korrespondent zu Prozess: "Gab Momente, da wirkte Trump unwirsch"
Stern-Korrespondent zu Prozess: "Gab Momente, da wirkte Trump unwirsch"
© RTL
"Gab Momente, da wirkte Trump unwirsch": stern-Reporter zu Schweigegeld-Prozess

Richter Juan Merchan wies die Behauptung zurück und machte stattdessen Susan Necheles Vorwürfe, die das Kreuzverhör von Daniels geleitet hatte. Die Anwältin hätte Einspruch erheben sollen, als eine Staatsanwältin danach fragte, Trump habe angeblich kein Kondom verwendet. "Ich wünschte, diese Fragen wären nicht gestellt worden", sagte der Richter. Er wisse "beim besten Willen nicht, warum Frau Necheles keinen Einspruch erhoben hat".

Die Staatsanwaltschaft sah sich indes bemüßigt, ihre Fragen vom Dienstag zu verteidigen. Daniels hatte ausgesagt, dass Trump sie 2006 gefragt haben soll, ob sie regelmäßig auf Geschlechtskrankheiten getestet werde. Vor diesem Hintergrund sei der Sachverhalt mit dem Kondom relevant. Beide Informationen zusammen würden die Glaubwürdigkeit von Stormy Daniels beweisen. Richtig überzeugt wirkte der Richter davon nicht.

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Juan Merchan wird am Ende allerdings nicht über Schuld oder Unschuld von Donald Trump befinden. Das ist die Aufgabe der sieben Männer und fünf Frauen, die der Jury angehören. Die haben die etwa sieben Stunden, in denen Stormy Daniels über zwei Tage verteilt befragt wurde, aufmerksam verfolgt. Besonders in den Schlagabtauschen zwischen Verteidigung und Zeugin gingen die Köpfe hin und her. Alle waren hellwach – nur was denken die zwölf? Das ist die große Unbekannte in diesem Fall.