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EU-Außenministerin Europas neue starke Frau

Als Handelskommissarin brachte sie die EU-Wirtschaft spürbar voran, nun wird Baroness Catherine Ashton Europa in der Welt vertreten. Kann die Britin das?
Von Cornelia Fuchs, London

Ja, sie sei schon ein wenig überrascht gewesen, sagte Baroness Catherine Ashton am Donnerstagabend und bewies damit vor allem ihre Fähigkeit zum typisch britischen Understatement. Die 53-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin mit Adelstitel hatten nur wenige auch nur in der weiteren Auswahl für jenes Amt, das offiziell den umständlichen Titel trägt Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union - kurz: EU-Außenminister. Nun müssen 493 Millionen Europäer erst einmal ihre neue Außenministerin kennen lernen.

Das erste, was man über Baroness Ashton von Upholland wissen sollte: Sie ist nicht mit diesem Adelstitel geboren worden. Tony Blair ernannte sie 1999 zum Mitglied des Oberhauses, und sie wählte sich als Titel den Namen ihres kleinen Geburtsortes im nordenglischen Lancashire. Catherine Ashton stammt aus kleinbürgerlichem Milieu. 1977 war sie die erste Frau in ihrer Familie, die an die Universität ging. Sie schloss ein Wirtschaftsstudium mit Erfolg ab und arbeitete noch als Studentin für die britische Kampagne für nukleare Abrüstung – erst als Mädchen für alles, dann als Schatzmeister und schließlich als Vize-Vorstand.

Lissabon-Vertrag durchs Oberhaus gelotst

Dieser langsame und stetige Weg an die Spitze wurde typisch für Ashtons Karriere: Was die Frau anpackte, machte sie richtig. Sie arbeitete in der regionalen Verwaltung des staatlichen Gesundheitsdienstes, in Lobbygruppen für die Anerkennung Behinderter am Arbeitsplatz und wechselte schließlich in die Politik, als sie Tony Blair 1999 nach Westminster holte.

Hier betreute sie eines der erfolgreichsten Programme der Labour-Regierung, die Einrichtung von Lernzentren für Kleinkinder, die sozial Schwache zu einem besseren Start ins Leben verhelfen sollen. Ashton arbeitete sich als Staatssekretärin vom Bildungs- bis zum Justizministerium vor und im Oberhaus zur Vorsitzenden des Parlamentes. 2005 wählte man Ashton zum "Peer of the year", dem Oberhausmitglied des Jahres. Es war Ashton, die den in Großbritannien so unbeliebten Vertrag von Lissabon sicher durch die Abstimmungen im Oberhaus brachte.

Baroness Ashton gilt als diplomatisches Wunderkind – so schaffte sie es erstaunlicherweise im Dauerkrieg zwischen den beiden Labour-Schwergewichten Tony Blair und Gordon Brown gar keine Partei ergreifen zu müssen. Ex-Premier Tony Blair schätzt sie, und Premierminister Gordon Brown nennt sie "eine Freundin fürs Leben". Brown war es auch, der Ashton im Oktober des vergangenen Jahres nach Brüssel schickte. Hier ersetzte sie den Handelskommissar Peter Mandelson, der nach London zurückkehrte. Es war eine Situation, die der heutigen nicht ganz unähnlich sein dürfte: Kaum jemand kannte Ashton und kaum jemand traute ihr den Job zu, den ihr Vorgänger mit einer ganz eigenen Mischung aus Brillanz und Arroganz ausgefüllt hatte. Wie sollte diese ruhige, eher zurückhaltende Frau die Wirtschaft der Europäischen Union vor der ganzen Welt vertreten?

Sie kam, sah und beeindruckte

Baroness Ashton kam in Brüssel an, sah sich im Parlament um, hielt ihre erste Rede und entschuldigte sich auf Französisch für ihr schlechtes Französisch. Damit hatte sie die Franzosen auf ihrer Seite. Dann sagte sie, ebenso ruhig, dass ihr jeder Protektionismus ein Gräuel sei und sie ansonsten auf Verhandlungen setze. Was wiederum die Osteuropäer beruhigte. Nach ihrem ersten Auftritt war klar, dass diese Frau weiß, was sie tut.

Nur knapp ein Jahr hat sie seitdem auf dem Posten der Handelskommissarin gearbeitet – und kann gleich mehrfach Erfolge vorweisen, an denen ihre Vorgänger sich jahrelang umsonst abmühten. Ihr gelang es, wieder neuen Schwung in die Verhandlungen mit den Handelsstrategen der USA zu bringen – weil sie sich mit ihrem Gegenpart in Washington gut verstand. Ihr Vorgänger Mandelson soll dagegen nicht wenige Telefongespräche über den Atlantik mit wütendem Hörer-Aufknallen beendet haben.

Im Oktober unterzeichnete Ashton das erste große außereuropäische Freihandels-Abkommen – mit Südkorea. 97 Prozent der Zölle werden zwischen der EU und Südkorea in den nächsten fünf Jahren abgebaut, 1,6 Milliarden Euro Einfuhrzölle entfallen für europäische Waren, der deutsche Verband der Maschinen- und Anlagebauer gratulierte Ashton gleich persönlich. Auch dieser Vertrag war zuvor immer wieder gescheitert. Erst Ashton sicherte die Unterschriften.

Britische Presse höhnt

Am Donnerstag versprach sie als erstes "ruhige Diplomatie" in ihrem neuen Amt. Sie bleibt sich damit treu. In ihrer Heimat wird die zurückhaltende Art der Baroness äußerst kritisch betrachtet. Besonders die EU-feindlichen Zeitungen halten sich mit hämischen Kommentaren nicht zurück. "Ehemalige Vorsitzende der regionalen Gesundheitsverwaltung in Hertfordshire stolpert auf die Weltbühne", titelt zum Beispiel die "Times".

So ungerecht es ist, so wenig neu sind solche Töne für Ashton. Sie weiß, dass sie kein Polit-Star ist wie es Tony Blair gewesen wäre oder der britische Außenminister David Miliband. Aber es ist anzunehmen, dass sie eine solche öffentliche Figur auch nie sein wollte. "Ich habe 25 Jahre Verhandlungs-Erfahrung", sagt Ashton. Sie fühlt sich für ihr neues Amt gerüstet. Angela Merkel formulierte es etwas pointierter: "Ich gehöre zu den Menschen, die wissen, dass Persönlichkeiten in Aufgaben hineinwachsen können."

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