Europäische Grüne Partei Weder jung noch radikal

Vertreter aus 32 Ländern haben in Rom die Europäische Grüne Partei gegründet. Auffallend war: Die Partei der jungen Querdenker sind die Grünen nicht mehr. Die meisten Delegierten sind über 40, ihre Sprache ist verhalten, Konflikte werden ausgespart.

Vier Monate vor den Europawahlen hat sich am Samstag in Rom die Europäische Grüne Partei gegründet. Dies sei die erste Partei auf europäischer Ebene, sagte der EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit unter dem Jubel von mehreren hundert Delegierten. "Wir wagen etwas, was keine andere Partei gewagt hat." Eine wirkliche europäische Demokratie könne man nur mit europäischen Parteien erreichen. Nur so könnten unterschiedliche nationale Interessen überwunden werden. "Heute haben die Grünen in Europa Geschichte gemacht", sagte der große Mann der Pariser Mai-Revolte 1968.

Europa müsse handeln, um seinen Aufgaben in der Welt, wie etwa der Friedenssicherung, gerecht zu werden. Zugleich plädierte Cohn-Bendit für eine Änderung des Euro-Stabilitätspakts. "Eine Regelung, die nicht funktioniert, ist eine schlechte Regelung."

Grüne aus insgesamt 32 Ländern

Der neuen Partei gehören Grüne aus insgesamt 32 Ländern an, darunter aus den 25 alten und neuen EU-Staaten sowie Grüne etwa aus der Ukraine, Rumänien und aus Georgien. Erstes Ziel ist eine gemeinsame grüne Wahlkampagne für die Europawahl am 13. Juni. Gemeinsame Kandidaten gibt es wegen der unterschiedlichen nationalen Wahlordnungen aber nicht.

Mehr Beifall als Joschka Fischer bekam nur eine Grüne aus Amerika. "Das Regime von George Bush ist die zerstörerischste Regierung, die es je gab", rief die junge Frau in den Saal. Das ist zwar eine gewagte These. Den Delegierten bei der Gründung der Europäischen Grünen Partei in Rom sprach sie aber aus der Seele. Mögen die politischen Unterschiede zwischen den 32 Öko-Parteien ansonsten beachtlich sein - im "Kriegspräsidenten" aus Washington hat man den gemeinsamen Gegner gefunden.

Ansonsten gibt es auch Klein-Klein in der italienischen Hauptstadt. Verbraucherministerin Renate Künast wird am Samstag als "Mrs. Greenpower Renate" vorgestellt und doziert über gesundes Essen, gesunde Landwirtschaft und die Welthandelsorganisation. "Unser Problem sind dicke Kinder." Als eine Delegierte während ihres Vortrags fröhlich mit der Nachbarin schnattert, wird die Deutsche energisch: "Hallo, meine Liebe, ich spreche auch für Dich."

Gemeinsames grünes Manifest zur Europawahl

Da treten die großen aktuellen Themen wie Wirtschaftskrise und Terrorismus zeitweise in den Hintergrund. Ein gemeinsames grünes Manifest zur Europawahl im Juni verlangt unter anderem den Ausstieg aus der Atomkraft, eine "radikale Wende" in der Verkehrspolitik sowie ein Europa mit "hohen sozialen und ökologischen Standards". Im Kern waren so schon die Grünen-Programme in den 80er Jahren gestrickt, nur etwas radikaler waren sie, auch im Ton.

Auffallend in Rom ist denn auch: Die Partei der jungen Querdenker sind die Grünen nicht mehr. Die meisten Delegierten sind stark über 40, viele Männer in Ehren ergraut. Ihre Sprache ist gemessen und verhalten. Konflikte, etwa mit den Euro-skeptischen skandinavischen Parteien werden ausgespart. Niemand in der neuen Partei will Familienstreit.

Nostalgischer Rückblick

"Die Grünen verändern Europa", heißt es in dem Manifest. Dabei haben die Grünen in der europäischen Politik schon längst einiges verändert. Fast nostalgisch denken die Grünen in Rom an die wilden Jahre des Anfangs zurück. "Als die Delegierten bei den Parteitagen noch Strümpfe gestrickt haben", wie ein finnischer Grüner mit Schlips und Anzug und leuchtenden Augen erzählt. Eine weitere grüne Erfolgsgeschichte, die in Rom mit Stolz verfolgt wird: Derzeit ist in Lettland der erste Grüne dabei, Ministerpräsident zu werden. Ob der eher konservativ-orientierte Indulis Emsis den Ex-Sponti Joschka Fischer als Star der europäischen Grünen ablösen könnte, wird sich zeigen.

DPA
Peer Meinert