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US-Wahlkampf Ein Fake-News-Schreiber sagt, welchen Unsinn er erfand und was Trump-Wähler glaubten

Es ist traurig, aber wahr: Gefälschte Nachrichten in den sozialen Medien haben im US-Wahlkampf eine große Rolle gespielt. Wie leicht sich vor allem rechte Wähler beeinflussen lassen, hat ein Autor von Satire-News jetzt offenbart.

Wie fühlt es sich an, wenn man eine Satire-Website betreibt und die absurdesten Lügengeschichten auf einmal für echte Nachrichten gehalten werden? Wenn sich der pure Nonsens rasend schnell über die sozialen Medien verbreitet und sogar erfahrene Journalisten Fälschungen als Fakten übernehmen? "Mir gefror das Blut. Das war kein schönes Gefühl." So beschreibt der Autor Marco Chacon in einem Artikel für das amerikanische Web-Magazin "The Daily Beast" den Wahnsinn während des US-Wahlkampfes.

Chacon hat auf seiner Website RealTrueNews.org die unglaublichsten Geschichten erfunden. Er schrieb zum Beispiel, dass Hillary Clinton Maschinen für die Herstellung von Pässen direkt an den Islamischen Staat verkauft habe. Oder dass Barack Obama die Worte "radikaler Islam" nicht benutze, weil er dadurch einen islamischen Zauber brechen würde, der ihn beschütze. Sogar das haben einige für wahr gehalten. Das sagt etwas darüber aus, wie leicht sich Menschen täuschen lassen. Oder sich täuschen lassen wollen.

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Einmal schickte ihm ein Freund ein Computer-bearbeitetes Bild mit Text. Die Frage: Warum ließ Obama das Weiße Haus anlässlich der Polizistenmorde von Dallas nicht in blauen Farben anstrahlen - so wie er es zur Unterstützung der Home-Ehe in den Regenbogenfarben erleuchten ließ? Daraus machte Chacon die Nachricht, dass Obama das Weiße Haus in blau habe erstrahlen lassen, um den Tod von Polizisten zu feiern. Die Nachricht sorgte bei einigen Konservativen im Netz für einen Aufschrei. Dabei hätte jeder mit einer einfachen Internetrecherche den Wahrheitsgehalt überprüfen können. Doch der Satiriker macht auf bedrückende Weise deutlich: Wahrheit ist eine Angelegenheit der politischen Einstellung. Trump nutzte diesen Zustand gezielt und höchst erfolgreich aus.

Die Geschichte mit dem angeblichen Clinton-Zitat

Am eindrucksvollsten in Charons Schilderung ist die Geschichte eines angeblichen Clinton-Zitats, das tatsächlich den Weg in seriöse Nachrichtensendungen schaffte. In dem Zitat soll Clinton die Unterstützer ihres demokratischen Mitbewerbers Bernie Sanders als "Haufen von Verlierern" (Bucket of Losers) verunglimpft haben. Das war zumindest die Endversion, die aber natürlich nicht stimmte.

Das kam so: Chacon hatte die satirische "Abschrift" eines Vortrags von Clinton verfasst, den sie vor Managern der Investmentbank Goldman Sachs gehalten hatte. Chacon gab es als Dokument aus, das von WikiLeaks veröffentlicht wurde. In der Abschrift ließ er Clinton die Manager warnen, dass die Wall Street und die Politik in Washington von erwachsenen Anhängern der rosa-kitschigen Pony-Puppen bedroht werden, von den "Bronies" (My little Pony: "Friendship is magic"). Zudem bezeichnete Clinton in dem Vortrag eine gewisse Gruppe von Internet-User als "Haufen von Verlierern".

Aus Spaß postete Chacon den Link mit der Satire an einen Reporter des Vice-Magazins. Was Chacon nicht wusste: Zur gleichen Zeit hatte WikiLeaks tatsächlich eine Abschrift eines Clinton-Vortrags veröffentlicht, darin stand allerdings nichts von diesem Zitat. Aber Chacons Satire-Zitat und die Nachricht von der echten Abschrift verschmolzen miteinander, sie passten zeitlich wohl zu perfekt zueinander - der Unsinn wurde von vielen US-Bürgern als wahr angesehen. Prompt war der Hashtag #bucketoflosers geboren und ging viral.

Selbst Aufklärung nutzt nichts

Selbst als ein TV-Experte das Zitat als Fälschung entlarvte, trug das nicht zur Aufklärung bei. Chacon fand heraus, dass es wohl die Moderatorin Megyn Kelly vom erzkonservativen TV-Sender Fox News war, die den Schlusspunkt setzte. Sie war es, die das Zitat in einer Diskussionsrunde auf die Anhänger von Bernie Sanders bezog. Kelly und ein weiterer Fox-Moderator, der den Nonsens ebenfalls berichtet hatte, entschuldigten sich später für die Falschinformation. Das interessierte nur leider niemanden mehr. Die Nachricht war in der Welt: Clinton beleidigt Sanders-Anhänger. Der Hashtag existiert bis heute.

Chacon führt noch viele andere Beispiele an. So schrieb er die Anleitung "Wie ich ein Internet Troll" werde. Darin enthalten ist auch ein "virtuelles Auspeitschen" von Trump-Anhängern, um sie zu demoraliseren. Als Quelle gab er ein Büro an, das die Demokraten unterstützt. Auch das wurde für voll genommen.

Das Resümee des Satirikers: Viele Menschen glauben nur noch, was sie glauben wollen. "Für Konservative (in den USA) gibt es keine glaubwürdigen Medien, für sie gibt es nur glaubwürdige Positionen", schreibt Chacon. Deshalb sind sie so anfällig selbst für gröbste Propaganda. Im konservativen und rechten Spektrum gibt es eine funktionierende Infrastruktur aus Medien, wie zum Beispiel der Nachrichtenseite Breitbart, die systematisch Falschinformationen und Gerüchte weiterverbreiten. Und gut davon leben.

Chacon betont, dass Demokraten und Linke selbstverständlich genauso anfällig für Falschinformationen seien. Das habe das Beispiel mit dem Clinton-Zitat gezeigt, das auch von vielen Bernie-Sanders-Anhängern für glaubwürdig gehalten wurde. Nur die Auswüchse sind nicht vergleichbar.

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