Aufgrund der dramatischen Lage in Nordafrika haben erneut rund 850 Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt auf die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa gewagt. In der Nacht zum Montag strandeten nach Angaben von Reportern der Nachrichtenagentur AFP elf Boote mit den zumeist tunesischen Flüchtlingen auf der Insel. Die Behörden rechneten mit weiteren Überfahrten, auch aus dem von blutigen Unruhen erschütterten Libyen.
Trotz rauer See hatten sich bereits am Wochenende rund hundert Flüchtlinge nach Lampedusa gerettet. Zwischen Sonntagabend und Montagmorgen trafen dann noch einmal elf Boote mit 850 weiteren Flüchtlingen ein. Ein weiteres mit rund 100 Passagieren war am Morgen noch in Sichtweite vor der Küste der Insel. Da noch bis Dienstag bessere Wetterbedingungen herrschen sollten, rechnete die Küstenwache mit dem Eintreffen weiterer Boote.
Angesichts eines bereits völlig überfüllten Auffanglagers auf seiner Insel hatte Innenminister Roberto Maroni dem Bürgermeister von Lampedusa, Bernadino De Rubeis, am Wochenende zugesichert, eine Luftbrücke wiederaufzunehmen, um Flüchtlinge auch in anderen Auffanglagern unterzubringen. Am Vormittag flog eine erste Maschine rund 100 Flüchtlinge nach Crotone in Kalabrien aus; rund 60 weitere stiegen an Bord einer Fähre Richtung Sizilien.
Ende Februar war der Flüchtlingsstrom von Tunesien nach Italien wegen schlechten Wetters vorübergehend abgerissen. Zuvor hatten rund 6000 Bootsflüchtlinge die Mittelmeerinsel erreicht. Viele sahen auch nach dem Umsturz von Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali keine Zukunft in ihrer Heimat. Rom bat wegen der vielen Menschen die EU um Hilfe. Inzwischen bekommen die italienischen Behörden Unterstützung von der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Tunesien ist derzeit auch für zahlreiche Flüchtlinge aus Libyen ein Ziel, die von dort aus auch die Überfahrt nach Lampedusa wagen könnten. Der deutsche Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Stefan Telöken, verwies im Südwestrundfunk aber darauf, das derzeit deutlich weniger Menschen aus Libyen fliehen würden, weil ihnen vielleicht die Fluchtwege "abgeschnitten" würden. Die Flüchtlinge, die noch über die Grenze nach Tunesien gekommen seien, hätten berichtet, dass ihnen Handys und Sim-Karten abgenommen worden seien.