Welch Blamage für Emmanuel Macron: Der Frankreich-Besuch von König Charles ist abgesagt. Beziehungsweise: "verschoben", wie die offizielle Sprachregelung lautet. Eigentlich wollte "König Emmanuel I", wie Frankreichs Präsident in den sozialen Medien inzwischen spöttisch genannt wird, am Sonntag den britischen Monarchen Charles nebst dessen Gattin Camilla empfangen und im Schloss von Versailles dinieren. Macron hoffte angesichts des nervigen Kleinkriegs um die Rentenreform vor allem, davon ist auszugehen, wieder als international schillernder Staatschef in Erscheinung zu treten; gewitzt und eloquent – seine Lieblingsrolle. Und nun das: Nicht Frankreich, sondern Deutschland – ausgerechnet – wird das erste Land sein, das Charles in seiner neuen Rolle als König besucht. Ein "Schlag", eine "Ohrfeige", ein "Desaster" für das Ansehen Frankreichs, urteilen französische Journalisten nach der kurzfristigen Absage.
Was ist passiert? Nun, Emmanuel Macron hatte seine royalen Besuchspläne ohne die Französinnen und Franzosen gemacht. Die nämlich sind bockig. Auf der Zinne, en colère. In mehreren großen Städten brennen aus Wut auf Emmanuel Macron unvermindert die Mülltonnen. Im Rathaus von Bordeaux – eine der geplanten Stationen des königlichen Staatsgasts – stand die Eingangstür in Flammen. Schlimmer noch: Mitarbeiter haben angekündigt, ihre Dienste zu verweigern. König Charles hätte möglicherweise ohne roten Teppich dagestanden, weil niemand ihn ausrollen wollte.
Kein idealer Zeitpunkt für einen Besuch in Paris
Vor dem Hintergrund dieser – je nach Sichtweise – revolutionären oder chaotischen Grundstimmung bleibt der König nun lieber zu Hause. Charles und Camilla zwischen brennenden Barrikaden, ausgebuht von wütenden Protestlern: Das sind offenbar nicht die Bilder, die das britische Königshaus vom ersten Auslandsbesuch seines Monarchen in die Welt setzen möchte. Und auch im Élysée-Palast dürfte man zu der Einsicht gekommen sein, dass es nicht der ideale Zeitpunkt ist, den Präsidenten der Republik so zeigen, wie viele in der Bevölkerung ihn ohnehin bereits sehen: Als Sonnenkönig im Maßanzug, der lieber unter funkelnden Kronleuchtern speist, als sich um den Unmut zu kümmern, den er im Land auslöst. Zumindest beeilte man sich in der Entourage des französischen Präsidenten, klarzustellen: Der Besuch sei auf Wunsch Emmanuel Macrons verschoben worden, weil es neue Streik-Ankündigungen gegeben habe.
Ob der Besuch aus Gründen der Etikette oder wegen Sicherheitsrisiken abgesagt wurde, ist nebensächlich: Es ist ein klarer Sieg für die Gewerkschaften, für die Streikenden und für die Demonstranten. Gewerkschaftsführer Laurent Berger hatte zwar ausdrücklich gesagt, dass man nicht gegen den Besuch von König Charles mobilisieren werde, weil es ja schließlich um die Rentenreform gehe. Aber am vergangenen Donnerstag haben die Proteste ein Ausmaß angenommen, das selbst Demo-erprobte Pariser als "Hardcore" beschreiben. Die Bilder von nächtlicher Randale gehen um die Welt und erwecken den Eindruck, als stehe das gesamte Land in Flammen. Dass nun sogar ein derart hochrangiges und langgeplantes Ereignis wie der Empfang von Charles und Camilla ausfällt, verschärft die Krise um Emmanuel Macron.
Für Frankreichs Präsidenten heißt das einmal mehr: Seine Strategie geht nicht auf. Bereits seine Rede an die Bevölkerung, die vom Elysée Palast zwar in Form eines Interviews, aber mit untertänigst gestellten Fragen, inszeniert worden war, hatte wenig zur Versöhnung beigetragen. Die Demonstrationen weiterhin wie einen ungezogenen Zwergenaufstand zu behandeln, dürfte für Macron spätestens jetzt unmöglich werden. Vermutlich werden sowohl die französische als auch die britische Seite sich bemühen, die Absage des Staatsbesuchs zu entdramatisieren. Aus der Sicht von Emmanuel Macrons Kritikern ist das Ganze jedoch eine Steilvorlage: Der Präsident steht allein da. Nicht mal König Charles besucht ihn.