EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton hat den abgeriegelten Gazastreifen besucht und Israel erneut nachdrücklich aufgefordert, die Grenzen zu öffnen. Nach der Lockerung der Blockade gelte es weiter auf Fortschritte zu dringen, sagte sie am Sonntag. "Was jetzt passieren muss, ist fortgesetzter internationaler Druck."
Ashton ist die bislang ranghöchste Politikerin, die nach Lockerung der Blockade den Gazastreifen besucht. Noch vor wenigen Wochen hatte Israel Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel verwehrt, ein deutsches Hilfsprojekt in dem Palästinensergebiet zu besichtigen.
Nach dreijähriger Blockade lässt Israel jetzt wieder die meisten Konsumgüter zu den 1,5 Millionen Einwohnern des Gazastreifens durch. Die Einfuhr dringend benötigter Baustoffe ist jedoch weiterhin beschränkt, und praktisch alle Ausfuhren sind verboten. Ausreisen sind kaum möglich. Die Haltung der Europäischen Union sei eindeutig, erklärte Ashton. Die Menschen müssten sich frei bewegen können, und Waren müssten sowohl eingeführt wie auch aus Gaza exportiert werden können.
Bei Firmenbesuchen machte sich die EU-Außenchefin ein Bild der Lage. Unternehmer betonten dabei, dass sich die Wirtschaft nur erholen könne, wenn alle Rohmaterialien importiert und Fertigerzeugnisse exportiert werden dürften. Von den 3.900 Fabriken und Werkstätten in Gaza sind derzeit nur rund 30 Prozent in Betrieb. Oft arbeiteten sie nur mit verminderter Kapazität und mit Hilfe von Lieferungen durch die Schmugglertunnel, erklärte Amr Hamad vom Palästinensischen Unternehmerverband. Er erwartet, dass als Ergebnis der Lockerung der Blockade nur einige Hundert den Betrieb wieder aufnehmen.
Ashton besuchte am Sonntag zwei der rund 900 Unternehmen, denen die EU mit 22 Millionen Euro beim Neustart helfen will. Das Pharmaunternehmen Megapharm war wegen der Blockade zweieinhalb Jahre lang geschlossen und produziert jetzt wieder mit halber Kraft. Mehr Wachstum sei wegen des Exportverbots nur begrenzt möglich, sagte Firmenvertreter Husam Sendah.
Nur mit fünf Prozent ihrer Kapazität arbeitet die Zementmischerei von Teissir Abu Eida, weil die notwendigen Rohstoffe weiter auf der Verbotsliste stehen. So schafft er gerade genug Zement für zwei internationale Hilfsprojekte, darunter den Wiederaufbau eines Krankenhauses. So lange die Einfuhrbeschränkungen für Rohmaterialien nicht aufgehoben würden, "ist die Lockerung der Blockade bedeutungslos", sagt Abu Eida.
Israel sperrt sich aus Sicherheitsbedenken gegen die vollständige Aufhebung der Blockade, die nach nach dem Wahlsieg der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen 2007 verhängt worden war. Der von Israel blutig gestoppte Versuch einer Hilfsflotte, nach Gaza durchzukommen, rückte das Problem wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Ashton sprach sich gegen weitere Schiffskonvois aus und sagte, im Mittelpunkt müsse die Öffnung der Grenzen an Land stehen. Ihr Besuch fiel mit dem Eintreffen von Hilfsgütern auf einem von Libyen gecharterten Schiff zusammen, das von der israelischen Marine umgeleitet worden war. Insgesamt 40 Lkw mit Lebensmitteln und Medikamenten sollten im Lauf des Sonntags von israelischer und ägyptischer Seite her über die Grenze kommen.