Tsipras-Freund Jean-Claude Juncker Dem letzten Griechen-Versteher platzt der Kragen

Eigentlich wollte Alexis Tsipras in Brüssel Jean-Claude Juncker treffen. Doch der Kommissionspräsident, einer der letzten Freunde Athens, winkt ab. Mittlerweile hat auch er die Faxen dicke.

Es gibt Russland-Versteher und es gibt Tsipras-Versteher. Zu letzteren gehört eigentlich die europäische Linke, aber mit Jean-Claude Juncker auch ein ausgewiesen konservativer Mann. Im Ringen um die Beendigung der ewigen Griechenland-Krise bewies er stets bewundernswerten Langmut - was nicht zuletzt daran liegt, dass es der Job des Luxemburgers ist, das zuweilen garstige Gehabe innerhalb der EU zu mäßigen. Flugs nach dem Amtsantritt des griechischen Ministerpräsidenten reiste Juncker nach Athen zum ersten Beschnuppern, schnell wurde aus dem linken Herren Tspiras sein "Freund" Alexis und immer, wenn die internationalen Geldgeber oder sparwütige Regierungen allzu streng mit dem Großschuldner ins Gericht gingen, stellte sich der Kommissionspräsident breitschultrig vor die störrischen Griechen. Doch scheint selbst dem großherzigen Jean-Claude Juncker der Kragen zu Platzen – zum zweiten Mal in nicht einmal einer Woche.

Wer was im Schuldenstreit will

Die Geldgeber
-Privatisierung öffentlicher Betriebe
-Senkung der Renten
-Erhöhung der Mehrwertsteuern
-Ende der Mehrwertsteuer-Vorzugsbehandlung für Touristeninseln
-Öffnung von Tarifverträgen und Lohnsenkungen
-Primärüberschuss im Haushalt 2015 von 1 Prozent

Griechenland


- Abschaffung von Frührenten, aber keine generelle Senkung
- Primärüberschuss von 0,75 Prozent
- dreistufige Mehrwertsteuer mit Sätzen von 7, 13 und 23 Prozent
- begrenzte Privatisierung von Staatsbetrieben - Steuerprivilegien für die Ägäis-Inseln möglichst zu bewahren

Erst am vergangenen Mittwoch hatte Juncker seinem "Freund Alexis" nach schlafraubenden und "sportlichen" Verhandlungen einen neuen Reformkatalog präsentiert, eine Art Rahmenvereinbarung, auf dessen Grundlage der Athener nun konkrete Vorschläge hätte machen sollen. Hat er aber nicht gemacht. Nachdem sich die griechische Regierung auch bis Samstag nicht gemeldet hatte, griff Juncker zum Telefonhörer um persönlich nachzufragen. Doch die Anfrage wurde angelehnt. Es gebe schließlich nichts, worüber man sprechen könne, hieß es in der Hauptstadt Griechenlands. Und dabei hatte Tsipras am Tag zuvor noch im Parlament gepoltert, dass die Brüsseler Forderungen "absurd" seien. Das war zu viel: Kurz vor dem G7-Gipfel im Elmau, sagte Juncker mit deutlichen Worten, dass die griechische Regierung das gegenseitige Vertrauen missbraucht hätte. Was allerdings nicht persönlich gemeint sei: "Er war mein Freund und er ist mein Freund", schob der Kommissionspräsident fast schon entschuldigend hinterher.

Juncker "richtig sauer"

Ein paar Tage ließen sich Tsipras und seine Kollegen Zeit, ihrerseits ein neues Reformpapier vorzulegen, eines, das auf Grundlage dem vor einer Woche vereinbarten Rahmens basiert. In der Nacht zum Dienstag ging es in Brüssel ein. Und enttäuschte offenbar erneut. Der WDR berichtet, dass Jean-Claude Juncker nach erster Einsicht in einer Sitzung offenbar "richtig sauer" geworden sei. So gehe man in der EU nicht miteinander um, habe er dem Vernehmen nach gesagt. Offenbar sei Athen mit seinen Vorschlägen mal wieder hinter dem zurückgeblieben, was noch vor sieben Tagen besprochen worden sei. Diese Sichtweise wurde auch am Mittwochmittag offiziell vom Sprecher des EU-Kommissionspräsidenten bestätigt. Der Ball, so ließ Juncker ausrichten, liege nun im Feld der griechischen Regierung.

Dabei hatte Alexis Tsipras gehofft, mit einem persönlichen Treffen mit Juncker (sowie Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande) langsam aber sicher in die Endphase der Schuldenverhandlungen treten zu können. Doch das werde nicht stattfinden, sagte der Juncker-Sprecher. Ob es zudem zum Treffen mit Merkel und Hollande am Rande des EU-Lateinamerikagipfels kommen wird, das von der griechischen Seite bereits angekündigt wurde, ist noch offen. Beide Regierungschefs seien zwar bereit dazu, doch ein Termin ist bislang noch nicht in Sicht, wie die deutsche Regierung mitteilt. Es scheint ganz so, als haben die EU-Partner langsam aber sicher die Faxen dicke.

Immerhin: Es gibt frisches Geld

Dabei gibt es bereits neuen Gesprächsbedarf. Denn obwohl die EU-Kommission behauptet, Athen sei über die Beurteilung der jüngsten Reformliste informiert, wird dies von Seiten der Griechen dementiert. "Die Regierung befindet sich in der unangenehmen Position zu klären, dass sie nie von Herrn Moscovici (dem EU-Kommissionssprecher) informiert worden ist", hieß es aus griechischen Regierungskreisen. Immerhin können die auch eine gute Nachricht verkünden: Die nächste Rate an den IWF, fällig Ende des Monats, wird bedient werden können. Denn Griechenland hat frisches Geld über kurzlaufende Staatspapiere erhalten. Knapp drei Milliarden Euro sind so wieder in die Kassen gekommen, das sollte für die nächsten Wochen reichen.