Großbritannien Der dreifache Tony

Als erster Politiker der Labour-Partei ist Tony Blair zum dritten Mal als Premierminister Großbritanniens bestätigt worden. Labours Übermacht im Unterhaus schrumpft allerdings deutlich. Aufsehen erregte ein polternder Auftritt des Sohnes von Popmusikers Brian Ferry.

Die britischen Wähler haben Premierminister Tony Blair eine weitere Amtszeit gewährt, ihm aber zugleich einen kräftigen Denkzettel verpasst. Blair sprach am Freitag von einem historischen Sieg, da seine Labour Partei erstmals in ihrer Geschichte zum dritten Mal in Folge eine Wahl gewinnen konnte. Der Parteichef räumte aber auch ein, dass er nach dem Streit über die Beteiligung Großbritanniens am Irak-Krieg künftig mit einer knapperen Mehrheit regieren muss.

Nach der Auszählung von 619 der insgesamt 646 Wahlkreise kam die sozialdemokratisch orientierte Labour-Partei auf 353 Mandate. Die oppositionellen Konservativen hatten zu diesem Zeitpunkt 195 Sitze im neuen Unterhaus gewonnen, die Liberaldemokraten mindestens 59. Die absolute Mehrheit von 324 Sitzen hatte sich Labour schon am frühen Morgen gesichert. Die Wahlbeteiligung lag mit gut 60 Prozent etwas über dem historischen Tief von 59 Prozent vor vier Jahren.

Blair erhielt in seinem nordostenglischen Wahlkreis Sedgefield zwar sechs Prozentpunkte weniger als 2001, kam aber dennoch auf einen Anteil von 58,9 Prozent. Der unabhängige Kandidat Reg Keys, dessen Sohn im Irak-Krieg umkam, erhielt in Blairs Wahlkreis 10,3 Prozent der Stimmen. Der Regierungschef räumte ein, dass der Irak-Krieg die öffentliche Meinung in Großbritannien gespalten habe und Mehrheit für seine Partei deswegen geringer ausgefallen sei.

"Mr. Blair, das ist für den Irak!"

Dies zeigte auch der Wahlsieg des prominenten Kriegsgegners George Galloway im Osten Londons. Er war aus der Labour-Partei ausgeschlossen worden, weil er britische Soldaten dazu aufgerufen hatte, sich dem Irak-Einsatz zu verweigern. Als Kandidat der von ihm neu gegründeten Partei Respect trug er mit 35,9 Prozent der Stimmen den Sieg über die bisherige Labour-Abgeordnete Oona King davon, auf die 34,0 Prozent entfielen. Galloway sagte nach seinem Wahlsieg in einer zornigen Ansprache: "Mr. Blair, das ist für den Irak!"

Das bisherige Übergewicht von 161 Mandaten für Labour schrumpfte nach vorläufigen Berechnungen des britischen Fernsehsenders BBC auf 66. Sky News prognostizierte eine Mehrheit von 64 Sitzen. In London wurde spekuliert, dass Blair bereits in der Mitte der neuen Legislaturperiode das höchste Regierungsamt an den bisherigen Schatzkanzler Gordon Brown abgeben könnte, der seinen schottischen Wahlkreis Kirkcaldy mit 58,1 Prozent gewann.

Tory-Chef Howard gratuliert Blair

Der konservative Oppositionsführer Michael Howard gratulierte Blair. Zugleich bewertete er das Ergebnis seiner Partei als Zeichen einer Trendwende. Howard verteidigte sein Parlamentsmandat im südenglischen Wahlkreis Folkestone mit 53,9 Prozent der Stimmen, 8,9 Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren.

Der konservative Politiker Michael Portillo sagte, das Ergebnis werde den innerparteilichen Druck auf Blair verstärken. So würden sich die Anhänger Browns schon überlegen, "wie schnell sie Tony Blair aus der Downing Street bringen können". Die Labour-Politikerin Clare Short, die die Regierung im Streit um die Irak-Politik verließ, erklärte, mit einem anderen Spitzenmann hätte ihre Partei ein besseres Ergebnis erzielt. Der Politikwissenschaftler William Jones von der Universität Manchester meinte, eine Mehrheit von weniger als 100 Mandaten würde für Blair eine schwierige Zeit bedeuten.

Brian Ferrys Sohn wollte Blair angreifen

Weil er sich auf den gerade frisch wiedergewählten britischen Premierminister Tony Blair stürzen wollte, ist der Sohn von Rockmusiker Bryan Ferry am Freitag festgenommen worden. Otis Ferry griff über eine Absperrung und schrie Blair an, als dieser zu einer Wahlparty in der Londoner National Portrait Gallery eintraf. "Ich habe genug von dieser Regierung", schrie der 22-Jährige, während er von der Polizei abgeführt wurde. Der Sohn des früheren Sängers von Roxy Music ist ein Anhänger der Hetzjagd auf Füchse mit Hunden, die Anfang des Jahres verboten wurde. Im September hatte Otis Ferry gemeinsam mit vier weiteren Demonstranten während einer Debatte über die Jagd das Unterhaus gestürmt.

Glückwünsche aus Europa

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat Großbritanniens Premierminister Tony Blair zur Wiederwahl gratuliert. Barroso erklärte am Freitag in Brüssel, er hoffe auf eine weiter gute Zusammenarbeit mit der Labour-Regierung. Vor der EU stünden große Herausforderungen. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hat Tony Blair zum Wahlsieg gratuliert und dem britischen Premierminister Unterstützung für dessen Präsidentschaft der G-8-Staaten und der EU zugesichert. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder schickte gute Wünsche: "Ich denke, mit deinem Wahlsieg hast du dir selbst das größte Geburtstagsgeschenk gemacht", schrieb Schröder in einem Glückwunschschreiben.

AP
AP