Irak bestimmt neues Parlament Eine (fast) normale Wahl

Die Iraker wählen ein neues Parlament. Ging es bei den bisherigen Wahlen um Religion und Ethnien, rücken nun alltägliche Sorgen in den Mittelpunkt - und immer mehr Frauen wollen sie lösen.

Wenn am Sonntag im Irak die Wahllokale schließen, wird sich Hollywood mit dem unseligen Krieg beschäftigen, und fernab von Anschlägen, innermoslemischen Konflikten und wirtschaftlichen Sorgen steht eine Frau im Mittelpunkt: Die 58-jährige Regisseurin Kathryn Bigelow zählt mit ihrem Kriegsdrama "The Hurt Locker" zu den großen Favoritinnen der diesjährgen Oscar-Verleihung. In neun Kategorien wurde ihr packender Film nominiert, in dem es um die Arbeit von US-Bombenentschärfern im Irak geht.

Fast sieben Jahre nach dem Einmarsch der US-Armee erreichen der Krieg und dessen Folgen - dank einer Frau - nun das große Kino. Und auch am Ort des Geschehens selbst rücken die Frauen in den Mittelpunkt. Rund 25 Prozent aller Bewerber für das Bagdader Parlament sind weiblich - und wie die meisten Wahlkämpfer treten sie im Unterschied zu den vergangenen Urnengängen nicht mehr nur für religiöse Parteien und ethnische Interessen an, sondern haben ganz weltliche Ziele. Sie wollen für Jobs sorgen (die Arbeitslosenquote liegt bei bis zu 40 Prozent), den Jungen eine Zukunft bieten (das Durchschnittsalter der Iraker liegt bei 20 Jahre) und die oft mangelhafte Versorgung mit Wasser und Strom verbessern.

Die Anspannung ist im ganzen Land zu spüren

Auch wenn sich die Sicherheitslage im Irak mittlerweile deutlich verbessert hat - die Anspannung vor der Wahl ist im ganzen Land zu spüren. Bei einem Sonderwahltag für Soldaten am Donnerstag sind bei drei Anschlägen in Bagdad mindestens zwölf Menschen getötet worden. Zwei Selbstmordattentäter sprengten sich vor Wahllokalen in die Luft, knapp 50 Menschen wurden verletzt. Um weitere Terrorattacken zu verhindern, hat die Regierung ein Fahrverbot verhängt, rund 200.000 Sicherheitskräfte sollen die Wahl schützen. Für Aufregung sorgen daneben auch unvollständige Wählerlisten, weshalb die Wahlkommission an alle Iraker appelliert hat, ihre Registrierung in den jeweils zuständigen Wahllokalen zu überprüfen.

Für Exil-Iraker in 16 Staaten hat die Stimmabgabe bereits am Freitag begonnen. Insgesamt sind rund 18,9 Millionen Iraker wahlberechtigt. Nach offiziellen Angaben treten insgesamt 6292 Kandidaten an, es geht um 325 Abgeordnetenmandate. Das Ergebnis wird jedoch erst in zwei Wochen erwartet. Bei der Provinzratswahl im vergangenen Jahr hatte die Koalition für den Rechtsstaat von Ministerpräsident Nuri al Maliki die meisten Stimmen erhalten.

Verlängerung des US-Einsatzes nicht ausgeschlossen

Al Maliki sorgte kurz vor dem Urnengang für Aufruhr, weil er in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN erstmals sagte, dass er eine Verlängerung des US-Militäreinsatzes im Irak nicht ausschließe. Auf die Frage, ob er bereit wäre, die amerikanischen Soldaten länger im Land zu belassen als bislang vorgesehen, antwortete er: "Auf jeden Fall." Sollten die irakischen Sicherheitskräfte bis Ende 2011 nicht voll einsatzfähig seien, könnte dies notwendig werden. Laut einer Vereinbarung zwischen Washington und Bagdad soll die Zahl der im Irak stationierten US-Soldaten von derzeit rund 95.000 bis zum August dieses Jahres auf 50.000 Mann sinken. Bis Ende 2011 sollen alle Einheiten das Zweistromland verlassen haben.

Als wichtige Herausforderer von Malikis Wahlbündnis gelten dessen ehemalige Mitstreiter im Schiiten-Bündnis, die sich zumeist in der Irakisch-Nationalen Allianz zusammengefunden haben. Daneben rechnet sich der laizistische Irakische Block unter Führung des früheren Ministerpräsidenten Idschad Allawi gute Chancen aus. Aller Voraussicht nach wird keine der Listen die absolute Mehrheit der Sitze erreichen und also auf Bündnisse angewiesen sein.

Testfall für die junge Demokratie

Die Wahl gilt als Test für die noch jungen demokratischen Strukturen des Landes, das zum Teil erheblich unter Korruption und Misswirtschaft leidet. Der Erfolg der Abstimmung wird nicht zuletzt davon abhängen, ob es gelingt, alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen an die Urnen zu locken. Vor allem die Beteiligung der größten Minderheit der Sunniten an der Wahl gilt als entscheidend für die Suche nach einem gesellschaftlichen Konsens.

Die Sunniten, die rund ein Drittel der Bevölkerung stellen, hatten unter der Herrschaft von Saddam Hussein die Macht unter sich aufgeteilt. Seit dem Sturz des Diktators durch die Vereinigten Staaten dominieren die religiösen Schiiten-Parteien die Politik. Im Parlament haben ihre Parteien zusammen mit den Kurden eine deutliche Mehrheit.

nik mit Agenturen