US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair erklärten nach einem Treffen in den USA, es sei keine Entscheidung darüber gefallen, wie gegen Irak vorgegangen werden solle. Blair sagte, Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, die eine »ernste Gefahr« für die Welt darstellten. Bush und Blair erklärten, sie bemühten sich um eine »größtmögliche internationale Unterstützung«. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac lehnten ein einseitiges Vorgehen gegen Irak ab.
Blair sagte nach dem Treffen mit Bush auf dessen Landsitz Camp David, die internationale Gemeinschaft müsse deutlich machen, dass sie willens und fähig sei, Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates gegen Irak durchzusetzen. Die USA und Großbritannien stimmten in der Analyse der Frage der Massenvernichtungswaffen in Irak überein wie auch in ihrer Entschlossenheit, sich dem Thema zu widmen. Beide Staaten hätten den Wunsch, mit der größten internationalen Unterstützung vorzugehen. Die Wahl der Mittel sei aber noch offen.
Bericht der Atomenergie-Behörde
Bush und Blair verwiesen auf einen Bericht der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) vom Freitag, dem zufolge es neue Maßnahmen an Orten in Irak gebe, die mit Bemühungen zum Bau von Atomwaffen in Verbindung gebracht worden waren. Zudem zitierten sie aus einem Bericht der Behörde aus dem Jahr 1998, nach dem Irak innerhalb von sechs Monaten in der Lage sein könnte, eine Atombombe zu bauen. »Ich weiß nicht, welche Beweise wir noch brauchen«, sagte Bush. »Absolut richtig«, ergänzte Blair. »Dieser Mann (Saddam) hat gesagt, dass er auf Massenvernichtungswaffen verzichtet und seit elf Jahren hat er sein Versprechen nicht gehalten«, sagte Bush.
Am Freitag hatte die IAEA in Wien mitgeteilt, Satelliten-Aufnahmen zeigten Baumaßnahmen an Standorten, die früher nach Atomwaffen durchsucht worden seien. Die IAEA hatte allerdings erklärt, der Zweck der Baumaßnahmen könne aus der Luft nicht festgestellt werden. Wie am Samstag aus US-Geheimdienstkreisen in Washington verlautete, intensivierte Irak in den vergangenen 14 Monaten seine Bemühungen, Teile zur Herstellung von Atomwaffen zu beschaffen. So habe Irak tausende besonderer Aluminium-Röhren importieren wollen, die etwa in Zentrifugen zur Anreicherung von Uran benötigt würden. Mehrere dieser Versuche, sich Aluminium-Röhren zu beschaffen, seien aber blockiert oder abgefangen worden, hieß es.
Bush will am Donnerstag vor den Vereinten Nationen (UNO) sprechen und für seine Irak-Politik werben. Aus US-Regierungskreisen verlautete, Bush werde deutlich auf die Verantwortung der UNO und die Haltung Saddams hinweisen. »Ob die Vereinten Nationen relevant sein wollen oder nicht, hängt von der Antwort auf diese reale Bedrohung und einer Dekade der Missachtung durch Saddam Hussein ab«, hieß es in den Kreisen.
Irak lehnt eine bedingungslose Rückkehr der 1998 abgezogenen UNO-Waffeninspektoren ab. Diese sollen überprüfen, dass Irak Massenvernichtungswaffen weder produziert noch besitzt. Bush geht es jedoch nicht nur um ein Rückkehr der Inspektoren. Er hat erklärt, Saddam notfalls mit militärischer Gewalt stürzen zu wollen. Blair hat einen Angriff auf Irak nicht ausgeschlossen.
Schröder und Chirac gegen einseitiges Vorgehen
Bundeskanzler Schröder sagte nach einem Treffen mit Chirac am Samstagabend in Hannover, beide Staaten seien sich einig, dass es keine »isolierte und einseitige Aktion« gegen Irak geben dürfe und die UNO die entscheidende Rolle spielen müsse. Auch das Ziel dürfe nicht verändert werden. Chirac schloss im Gegensatz zu Schröder ein militärisches Vorgehen gegen Irak nicht aus. Allein der UNO-Sicherheitsrat, in dem Frankreich ein ständiges Mitglied ist, habe über weitere Schritte zu befinden. Für welche weiteren Maßnahmen sich Frankreich dann entscheide, werde von der Debatte dort abhängen.