Iran-Geiseln "Der Tag, als die Navy vor Schande starb"

Auf der Insel ist die Meinungslage klar wie selten: Es war mehr als ein Fehler, den britischen Iran-Geiseln zu erlauben, ihre Geschichte zu verkaufen. Im deutschen Verteidigungsministerium aber könnte man sich im Zweifel genauso entscheiden, sagte ein Sprecher zu stern.de.

Die "Sun" hätte sich sicher nicht lumpen lassen und mächtig über den "Geschäftssinn" der britischen Ex-Gefangenen im Iran vom Leder gezogen. So wie fast alle Zeitungen auf der Insel. Doch das hat sie nicht. Denn das selten zimperliche Boulevard-Kampfblatt ist im Besitz der Exklusivrechte an der Geschichte der Matrosin Faye Turney. Teuer erkauft für umgerechnet 225.000 Euro.

Und so können die Briten in der "Sun" nun lesen, wie sich die Soldatin bei ihrer Familie dafür entschuldigt, dass sich sie sich solche Sorgen um sie machen mussten und wie ihr kurzes Gespräch mit Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad verlaufen sei. Er, das Staatsoberhaupt, habe gefragt, wie es Turneys dreijähriger Tochter gehe. Ihre Antwort: "Das weiß ich nicht, Herr Präsident, ich habe sie seit 13 Tagen nicht gesehen, wenn Sie sich erinnern." Darauf Ahmadinedschad: "Hat man Ihnen denn kein Telefongespräch mit ihr erlaubt?" "Nein, ganz sicher nicht", will sie geantwortet haben.

Eigentlich ist der Verkauf an die Medien untersagt

Der Fall Turney und wie sie ihre Erlebnisse zu Geld macht, erregt die Nation fast mehr als die Geiselnahme selbst. Denn eigentlich dürfen britische Soldaten ihre Erlebnisse nicht an Medien verkaufen. Das Verteidigungsministerium hatte diese Regel aber ausnahmsweise aufgehoben und auf "besondere Umstände" und großes öffentliches Interesse verwiesen. Auch der 20-jährige Arthur Batchelor hatte die Angebote von Presse und Fernsehen angenommen. Einige der anderen Soldaten hatten in den Medien ihre Version der Ereignisse geschildert, dafür aber kein Geld erhalten.

Der rechtskonservative Kolumnist der "Daily Mail", Richard Littlejohn, skizziert in einem Kommentar schon die Besetzungsliste für den Film zur Geiselnahme und ätztt, ob "Frau Turney schon Mitglied im Club fetter Promis" sei. Neben solchen Seitenhieben unterhalb der Gürtellinie aber kommt er zu einem Schluss, den viele Briten teilen, vor allem viele Soldaten und Veteranen: "Der Tag, an dem Faye Turney ihre Geschichte der 'Sun' und in der Sendung 'Tonight with Trevor McDonald' erzählte, ist der Tag, an dem die Navy vor Schande starb." Wie viele Soldaten, fragt Littlejohn, haben in all den Kriegen, ihr Leben geopfert, sich quälen und misshandeln lassen müssen - "und hier kommt eine Matrosin an, die horrende Summen für eine 13-tägige Gefangenschaft einstreicht".

Entsetzt, dass aus dem Desaster noch Profit geschlagen wird

Die Kritik richtet sich jedoch nicht allein gegen die beiden Armeeangehörigen, sonder auch gegen das Verteidigungsministerium. "Ich bin entsetzt, dass es die Soldaten unterstützt, aus einem militärischen Desaster noch Profit zu schlagen", sagte etwa der Ex-Kommandeur der britischen Friedenstruppen in Bosnien, Oberst Bob Stewart. Der oppositionelle Verteidigungsexperte Liam Fox von der Konservativen Partei sagte, die Angelegenheit sei von der Regierung "auf erschreckende Weise" gehandhabt worden. Sie habe die Sympathie der Öffentlichkeit für die 15 Marineangehörigen verspielt.

Nach dem Proteststurm blieb der britischen Regierung nichts anderes übrig, als die Reißleine zu ziehen und hat die weitere Vermarktung der Erlebnisse ihrer Soldaten gestoppt. Verteidigungsminister Des Browne entschied, dass es 15 Marine-Soldaten nicht mehr erlaubt sei, ihre Geschichten zu veräußern.

Den größten Verlierer der ganzen Geschichte haben die Kommentatoren bereits ausgemacht: Großbritannien. Die konservative "Times" schreibt: "Sollte das iranische Regime Zweifel an der Weisheit seiner Entscheidung gehabt haben, die Marineangehörigen freizulassen, so haben diese sich inzwischen ganz sicher aufgelöst. Teheran hatte versucht, maximale Propagandavorteile aus ihrer Gefangenschaft zu ziehen. Doch absolut nichts, was der Iran selbst hätte erreichen können, kommt der Katastrophe auch nur nahe, die daraus resultierte, dass es den Freigelassenen erlaubt wurde, ihre Storys zu verkaufen. Es gibt keinen Zweifel. Großbritannien hat verloren, und alle seine potenziellen Feinde sind die Gewinner." In eine ähnliche Kerbe haut der linksliberale "Guardian": "Wir brauchen den Dialog mit dem Iran. Doch die Aufrüstung im Propaganda-Krieg, durch den Verkauf der Geiselrechte an die Medien macht die nötigen Gespräche mit dem Iran nicht leichter. Im Gegenteil."

Das deutsche Verteidigungsministerium will übrigens eine ähnliche Vorgehensweise wie die der Briten nicht ausschließen. Klaus Reinecke, Sprecher der Streitkräfte, sagte zu stern.de auf die Frage, ob deutsche Soldaten in ähnlicher Situation, ihre Geschichte verkaufen dürften, nur soviel: "Das kommt auf den Einzelfall an, der immer zu prüfen ist."

nik