Auf der Suche nach einem verschleppten Kameraden sind tausende israelische Soldaten in den Gazastreifen eingedrungen. Die Bodenoffensive wurde von Luftangriffen auf Brücken, ein Kraftwerk und Ausbildungslager der Hamas begleitet. Angesichts der Militäroperation bot die Hamas-geführte palästinensische Regierung einen Gefangenenaustausch an. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas verurteilte die Angriffe als "Kollektivstrafe und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte, zur Befreiung des 19-jährigen Gilad Schalit werde seine Regierung auch vor "extremen Aktionen" nicht zurückschrecken. "Wir haben nicht vor, Gaza wieder zu besetzen. Wir haben ein Ziel, und das ist, Gilad heimzubringen."
Hamas bietet Gefangenenaustausch an
Der Militäreinsatz ist die erste Bodenoffensive im Gazastreifen, seit nach der Aufgabe der jüdischen Siedlungen in dem Autonomiegebiet im September die letzten israelischen Truppen abzogen. Das palästinensische Informationsministerium erklärte, ein Gefangenenaustausch sei ein logischer Schritt, den die israelische Regierung in der Vergangenheit schon mehrfach mit der Hisbollah und der PLO vollzogen habe. Militärischer Druck werde nicht zur Freilassung des Soldaten führen. Olmert hat einen möglichen Gefangenenaustausch abgelehnt.
Der israelische Justizminister Haim Ramon äußerte die Überzeugung, dass die politische Führung der Hamas in Syrien die Geiselnahme angeordnet habe. Israel habe deshalb Hamas-Chef Chaled Maschaal im Visier, sagte Ramon im israelischen Militärrundfunk. Maschaals Stellvertreter Mussa Abu Marsuk sagte in Damaskus, mit seiner Militäroffensive gefährde Israel das Leben des Entführten.
"Unnötige Zerstörung" soll verhindert werden
Die USA riefen Israel zur Zurückhaltung auf. Das Leben unschuldiger Zivilpersonen dürfe nicht gefährdet werden, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow. Auch die "unnötige Zerstörung von Eigentum und Infrastruktur" solle vermieden werden. Zugleich rief Snow die palästinensische Hamas-Regierung auf, die Gewalt zu stoppen.
Das militante palästinensische Volkswiderstandskomitee (PRC) drohte unterdessen mit der Ermordung eines entführten Siedlers. Eliahu Pintschas Ascheri werde "vor Fernsehkameras abgeschlachtet", falls die israelische Militäraktion nicht eingestellt werde, kündigte ein PRC-Sprecher im Sender Al Dschasira an. Die palästinensischen Al-Aksa-Märtyrerbrigaden entführten nach eigenen Angaben einen dritten Israeli. Bei der Geisel handele es sich um einen 62 Jahre alten Mann aus der Stadt Rischon Lesion, der am Montag verschleppt worden sei, hieß es in einer Erklärung der militanten Organisation.
Stromausfall in weiten Teilen des Autonomiegebiets
Die israelische Luftwaffe feuerte Raketen auf den Norden und Süden des Gazastreifens, wo die Geschosse auf unbewohntes Gebiet fielen. Auf diese Weise wolle man die militanten Palästinenser einschüchtern, erklärten die Streitkräfte. Israelische Soldaten nahmen unterstützt von Panzern den seit langem geschlossenen Flughafen von Gaza ein. Wegen des Luftangriffs auf das einzige Elektrizitätswerk im Gazastreifen fiel in weiten Teilen des Autonomiegebiets der Strom aus.
Israelische Kampfjets bombardierten drei Brücken, die den nördlichen Teil des Gazastreifens mit dem Süden verbinden. Nach israelischen Militärangaben sollte verhindert werden, dass die Entführer ihre Geisel an einen anderen Ort bringen. In Syrien flogen israelische Kampfflugzeuge über ein Haus von Staatschef Baschar Assad in der Hafenstadt Latakia hinweg, wie aus Behördenkreisen verlautete. Offenbar solle Assad dazu gebracht werden, sich für die Freilassung des verschleppten Soldaten einzusetzen.