Nach Schätzungen sind rund 60 000 US-Soldaten auf die irakische Hauptstadt vorgerückt und sehen sich Einheiten der als besonders kampfstark geltenden Republikanischen Garde gegenüber. Zurzeit schöpfen die US-Bodentruppen Atem, warten auf Nachschub und nutzen die Zeit zum Umgruppieren. Aber mit jedem Tag rückt für die Kriegsplaner die kritische Entscheidung über das Vorgehen gegen Bagdad näher.
Offiziell herrscht dazu Schweigen. Militärexperten sind sich aber in einem Punkt einig: Die Alliierten werden alles daran setzen, um Straßenkämpfe in Bagdad mit einem drohenden schrecklichen Blutbad zu vermeiden. Auch ein hoher Pentagon-Beamter, der anonym bleiben will, sagt unumwunden: «Wir sind auf einen Stadtkrieg vorbereitet. Aber käme es dazu, und das ist möglich, wäre es ein Albtraum.»
Mögliche «Isolierung» Bagdads
Pentagon-Chef Donald Rumsfeld hat angedeutet, dass er andere Wege vorziehen würde. Er sprach von einer möglichen «Isolierung» Bagdads und verwies dabei auf das Beispiel Basra. Nach Experten-Einschätzung könnte das auf Pläne für eine Belagerung der irakischen Metropole hinweisen - in der Hoffnung, dass es in der Stadt schließlich doch zu einer Revolte gegen Saddam Hussein kommt, wenn sie eingeschlossen ist. In diese Richtung könnte die jüngste Äußerung von US- Generalstabchef Richard Myers deuten, man werde «geduldig» vorgehen.
Die irakische Strategie scheint klar: Die Invasoren sollen mit allen Mitteln in einen blutigen Straßenkampf gezogen werden, in dem sie ihren größten Trumpf - ihre High-Tech-Ausrüstung - nicht mehr ausspielen könnten. Modernste Waffen würden wenig ausrichten gegen die Guerilla-Taktiken, die erfahrungsgemäß in einem Städtekrieg drohen: Heckenschützen auf Hochhäusern, vorgetäuschte Kapitulationen, als Frauen getarnte Soldaten, Selbstmordangriffe, Blutbäder durch Minen und Granaten in Straßen und Gassen, in denen Amerikaner und Briten nicht zu Hause sind.
Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung
Experten wie Ex-Luftwaffenoberst Samuel Gardiner weisen zudem darauf hin, dass sich Luftunterstützung bei Straßenkämpfen aus Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung zwangsläufig in Grenzen halten müsste - es sei denn, die Invasoren rückten von ihrer bisherigen Strategie ab und riskierten es, die Stadt in Schutt und Asche zu bomben. Das aber wiederum käme einem Blutbad unter der Zivilbevölkerung gleich und würde Saddam Hussein - ob tot oder lebendig - einen propagandistischen Sieg bescheren.
Der frühere Analytiker beim Geheimdienst CIA, Ken Pollack, tippt deshalb ebenso wie viele Ex-Generäle darauf, dass die USA versuchen werden, eine Entscheidung vor den Toren Bagdads herbeizuführen - und das vielleicht erst in ein, zwei Wochen, wenn Verstärkungen eingetroffen sind. Ziel werde es sein, die Republikanischen Garden um Bagdad zunächst durch massive Luftangriffe und dann mit Artillerie und Raketenwerfern zu schwächen. Wenn etwa 50 Prozent der feindlichen Positionen zerstört seien, würden Panzer eingesetzt. Das alles müsse so schnell ineinander übergreifen, dass den irakischen Kräften keine Zeit zum Rückzug in die Stadt bleibe.
«Dann könnten wir die Stadt abriegeln und hoffen, dass das Rest-Militär so demoralisiert ist, dass alles zusammenstürzt», sagt der ehemalige Pentagon-Beamte Daniel Goure. «Vorausgesetzt, die Iraker greifen nicht zu chemischen Waffen. Das würde alles ändern.»