162 Millionen Follower Ein Tiktok-Star ohne (große) Worte – die erstaunliche Geschichte des Khaby Lame

Khaby Lame auf dem roten Teppich
Der Tiktok-Star Khaby Lame wie man ihn kennt: Eine wortlose Geste sagt mehr als 1000 Worte. Seit vergangener Woche ist er Unicef-Botschafter 
© Vittorio Zunino Celotto / Getty Images
Khaby Lame arbeitete in einer Fabrik in Norditalien und verlor seinen Job. Heute ist er der erfolgreichste Tiktoker weltweit. Wie hat er das geschafft?

Große Karrieren starten meistens mit großen Worten. Nicht so aber bei Khaby Lame. Berühmt geworden ist der 24-Jährige, ohne ein einziges Wort zu sagen. Mit seinen humorvollen, simplen Videos begeistert er ein Millionenpublikum. Vergangene Woche wurde er zum neuen Sonderbotschafter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) ernannt – eine Karriere wie aus einem Hollywoodfilm.

Als das Coronavirus im März 2020 die Welt im Griff hat, verliert Lame seinen Job als Fabrikarbeiter in der norditalienischen Stadt Chivasso. Der junge Mann muss zurück in das bescheidene Apartment seiner senegalesischen Eltern ziehen. Anstatt sich an den Rat seines Vaters zu halten und sich auf neue Jobs zu bewerben, beginnt er, jeden Tag mehrere Stunden Tiktok-Videos aufzunehmen und sie unter dem Namen Khaby Lame hochzuladen. 

Ein Bananen-Video macht Khaby Lame berühmt 

Seine ersten Clips zeigen einen jungen Mann, dem sichtlich langweilig ist. Lame testet Filter, spielt mit einer Schachfigur und Flaschendeckeln DJ. Alle paar Tage postet er ein neues Video. Und irgendwann entdeckt er die Lifehacks. In der 40-sekündigen Aufnahme, die ihm erstmals große Aufmerksamkeit bringt, schält Lame einfach nur eine Banane; es ist die Reaktion auf einen anderen Clip, in dem jemand eine Bananenschale kompliziert mit einem Messer zerlegt. Am Ende seines Videos hält Lame seine Hand mit der Innenfläche nach oben und zuckt mit den Schultern – eine Geste, die zu seinem Markenzeichen wird.

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Es sind diese scheinbar simplen Videos, die Lame so erfolgreich gemacht haben. Allein auf der Plattform Instagram folgen ihm mehr als 80 Millionen Menschen, auf Tiktok sind es fast doppelt so viele. Damit ist er derzeit der Tiktoker mit den meisten Followern weltweit. Der Italiener ist erfolgreicher als professionelle Influencer, die mit aufwendig produzierten Videos und einer Menge Geld im Hintergrund zu ihrem Ruhm gekommen sind. Das macht seinen Aufstieg umso bemerkenswerter. 

Von der Sozialwohnung auf die große Bühne

Lame widerlegt mit seiner Karriere die klassischen Erfolgsrezepte in den sozialen Medien. Kein Lipsync zu trendiger Musik, keine Hochglanz-Clips, keine Ratgeber. Als Lame beginnt, Videos zu posten, ist sein Studio die kleine Sozialwohnung der Eltern. Das karge Schlafzimmer teilt er sich mit seinem älteren Bruder, im Hintergrund sieht man die senegalesische Flagge und einen Juventus-Fußballschal. Für viele Aufnahmen verwendet er ein veraltetes Smartphone, die Ausleuchtung ist nicht besonders gut. Aber das ist es, was die Leute mögen. Sein Geheimnis ist diese universelle Jedermann-Qualität. Seine Inhalte widerlegen oder verspotten die überproduzierten Trends.

Besonders Menschen aus Brasilien, Russland, den USA und natürlich Italien folgen ihm, wie er in einem Interview verriet. Zudem ist er ständig in senegalesischen Medien zu sehen, als Beispiel für jemanden, der es in Europa geschafft hat. Auch in Deutschland wird er immer bekannter, nicht zuletzt, weil er ein Video der Berliner Polizei in einen seiner Clips hineinschnitt.

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Mimik als "globale Sprache"

"Es sind mein Gesicht und meine Mimik, die Menschen zum Lachen bringen", sagte Lame in einem Gespräch mit der "New York Times". Seine verhaltenen Reaktionen seien eine "globale Sprache". Seine Mimik und Gestik haben Lame zur Marke gemacht – ähnlich wie Mr. Bean. Er war nun schon Juror bei der italienischen Ausgabe von "Deutschland sucht den Superstar", unterzeichnete einen mehrjährigen Vertrag mit Hugo Boss und hat einen eigenen Kurzfilm mit dem Titel "I am Khabane" veröffentlicht, in dem er von Kindheitserinnerungen und seinen Anfängen bei Tiktok erzählt. 

Lames Familie kam nach Italien, da war er nicht mal ein Jahr alt. Er erinnert sich gern an seine Kindheit zurück, obwohl er aufgrund von Legasthenie und Dyskalkulie Schwierigkeiten in der Schule hatte. Früher wollte er Komiker werden, heute will er Filme machen.

Lange musste Lame um die italienische Staatsbürgerschaft kämpfen. "Ehrlich gesagt, brauche ich kein Stück Papier, um mich als Italiener zu definieren", sagte er im Gespräch mit der "New York Times", thematisierte aber auch gleichzeitig die Hürden, die ihm wegen der fehlenden Staatsbürgerschaft im Weg standen. Im August 2022 wurde er dann schließlich Italiener, auch als Auszeichnung für seinen Erfolg.

Lames Lebensgeschichte und seine Botschaft, Träume niemals aufzugeben, haben ihm weltweit Ruhm eingebracht. Seit Kurzem ist er "Goodwill Ambassador", Botschafter des guten Willens, von Unicef und will diese Rolle nutzen, um das Bewusstsein für Kinderrechte zu verstärken. "Ich habe der Welt gezeigt, dass einfache Gesten lauter sein können als Worte", schreibt Lame in einem Posting zu seiner neuen Rolle.

Die Ernennung erfolgte im Rahmen eines viertägigen Besuchs in seinem Heimatland Senegal. Dort traf Lame Kinder und junge Menschen, die in ihren Gemeinden eine positive Veränderung anschieben. "Aus meiner eigenen Erfahrung als Kind, das Armut fürchtete, in der Schule nach seiner Leidenschaft suchte und während der Covid-Pandemie den Job verlor, weiß ich, dass alle Kinder gedeihen können, wenn man ihnen eine Chance und Gelegenheit gibt", sagte Lame. 

Die Botschafterrolle ist nur die letzte einer ganzen Reihe von Auszeichnungen für seine Arbeit. Gibt es etwas, das er noch in seinem Leben erreichen will? Auch darauf antwortet er bescheiden: Er möchte seiner Mutter ein schönes Haus kaufen.