Eine der wohl prominentesten Klimaklagen wurde in Deutschland vor Gericht verhandelt: Aktivisten von Fridays for Future und verschiedener Umweltorganisationen hatten die Bundesregierung 2019 verklagt, weil ihnen das Klimaschutzgesetz nicht ausreichte. Das Gericht entschied zugunsten der Aktivisten, das Gesetz musste 2021 nachgebessert werden. Doch verändert hat es wenig. Zwei Jahre später klagten Aktivisten des BUND erneut, weil sich die Ampel-Koalition nicht an die gesetzlich festgelegten Normen für den CO2-Ausstoß hält.
Auch in anderen Ländern sind die Menschen unzufrieden mit der Klimapolitik ihrer Regierungen. Laut dem Grantham Institute der London School of Economics wurden bislang weltweit über 2000 Klimaklagen erhoben, ein Viertel davon zwischen 2020 und 2022.
Bald könnte es mehrere spannende Entwicklungen geben: Der Inselstaat Vanuatu im Südpazifik will für mehr Klimaschutz den Internationalen Strafgerichtshof einschalten. Auch in den USA, in Brasilien und in Schweden wurden Klimaklagen erhoben. Und in Deutschland scheiterten zuletzt mehrere Klagen gegen Autohersteller. Mit Spannung wird derzeit das Ergebnis am Oberlandesgericht in Hamm erwartet. Die Richter beschäftigen sich dort mit der Klage eines peruanischen Bergbauern gegen den Energiekonzern RWE.
Ist Klimaschutz ein Menschenrecht?
Spannend wird es auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dort müssen die Juristen erstmals entscheiden, ob Klimaschutz ein Menschenrecht ist. Geklagt hatten unter anderem Aktivisten aus Frankreich und Portugal. Ende März startete die Runde mit einer Anhörung der Klimaseniorinnen aus der Schweiz. Am gleichen Tag wird auch der Fall eines französischen Bürgermeisters verhandelt, der für die Einhaltung der Pariser Klimaziele klagt.
Das Besondere an den Fällen: "Der EGMR hat sich zwar zuvor schon mit Umweltemissionen – Lärm oder Luftverschmutzung – auseinandergesetzt, aber noch nie mit den CO2-Emissionen eines Landes", sagt die Völkerrechtlerin Birgit Peters von der Universität Trier der Deutschen Presse-Agentur.
Wie die Verhandlungen ausgehen werden, bleibt ungewiss. Nach Einschätzung des Umweltrechtlers Johannes Reich von der Universität Zürich gibt es aber "Anzeichen dafür, dass das Gericht die Beschwerde der Klimaseniorinnen zum Anlass nehmen wird, um einheitliche Grundsätze für alle drei ähnlich gelagerten Fälle auszuarbeiten".
Das bedeutet aber nicht, dass das Gericht zugunsten der Aktivisten entscheidet. Die Klage der Schweizerinnen kann als unzulässig abgewiesen werden. Andernfalls wären auch gerichtliche Vorgaben für die Klimapolitik möglich, die jedoch nur für die Schweiz bindend wären. Allerdings ist der EGMR Mitglied im Europarat. Strengere Vorgaben beim Klimaschutz hätten eine Signalwirkung, nach der sich alle Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention richten müssten. Konkrete Politikempfehlungen für die einzelnen Staaten sind aber nicht zu erwarten.
Ohnehin kann es noch bis Ende des Jahres, möglicherweise bis Anfang 2024 dauern bis das Gericht ein Urteil fällt. Die Klimaseniorinnen hoffen, dass es auf ein Leiturteil hinausläuft und nicht bei einer Absichtserklärung bleibt. Den Klimapolitik darf aus ihrer Sicht kein rechtsfreier Raum sein, wo jeder "vor sich hin wursteln darf".
Quellen: Germanwatch.org, Youth4Climate Justice, Deutsche Umwelthilfe, Klimareporter, AP, Reuters, mit Material von DPA