Kriegsangst in Korea Obama spricht von "Akt der Aggression"

Könnte der Untergang einer südkoreanischen Korvette einen Krieg auslösen? Die Drohungen zwischen Nord- und Südkorea werden lauter, die Angst in der Region wächst. China mahnt zur Besonnenheit.

US-Präsident Barack Obama hat Nordkorea für den Untergang eines südkoreanischen Kriegsschiffes vor acht Wochen verantwortlich gemacht und dem kommunistischen Land "inakzeptables Verhalten" vorgeworfen. Wie ein Sprecher des Weißen Hauses am Donnerstag in Washington mitteilte, habe Obama den "Akt der Aggression", der zum Untergang der südkoreanischen Korvette "Cheonan" im Gelben Meer geführt habe, "scharf verurteilt". Dem südkoreanischen Präsidenten sprach der US-Präsident seine Anteilnahme am Tod der 46 Seeleute aus.

Ein am Donnerstag von einem internationalen Expertenteam in Seoul vorgelegter Bericht zum Untergang des 1200 Tonnen schweren Schiffes war zu dem Schluss gekommen, dass die "Cheonan" nahezu zweifelsfrei von einem nordkoreanischen Torpedo versenkt wurde. Der Angriff nahe der innerkoreanischen Seegrenze stelle eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit dar und sei ein klarer Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen, hieß es in einer Stellungnahme des Weißen Hauses. Nordkorea müsse verstehen, "das Kriegslust gegenüber seinen Nachbarn und die Herausforderung der internationalen Gemeinschaft Zeichen der Schwäche sind" und nur die eigene Isolation verschärfen. Den Untersuchungsbericht des Expertenteams nannte die US-Regierung eine "objektive und wissenschaftliche Bewertung der Beweise".

China fordert Zurückhaltung ein

Unterdessen hat China die beiden koreanischen Staaten am Donnerstag zu Zurückhaltung aufgefordert. Die chinesische Regierung werde eine Bewertung des südkoreanischen Berichts vornehmen, der von einem nordkoreanischen Torpedo-Angriff auf ein Schiff des Landes ausgehe, kündigte das Außenministerium in Peking an. Südkoreas Regierung erklärte in Seoul, sie sehe es nach einer Untersuchung als erwiesen an, dass die Korvette "Cheonan" von einem nordkoreanischen U-Boot versenkt worden sei, und kündigte Sanktionen gegen ihren kommunistischen Nachbarn an. Nordkorea drohte daraufhin mit "totalem Krieg". Die westlichen Staaten hoffen auf einen positiven Einfluss Chinas, das der einzige wichtige Verbündete Nordkoreas ist.

Durch den Vorfall im Gelben Meer vor acht Wochen haben sich die ohnehin großen Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea weiter zugespitzt. Südkoreas Präsident Lee Myung Bak warf Nordkorea "militärische Provokation" vor und kündigte resolute Schritte gegen das kommunistische Nachbarland an, worauf das Regime in Pjöngjang mit der Krieg und Vergeltung für den Fall drohte, dass gegen das Land Sanktionen erlassen würden.

"Überwältigende Beweise" für Schuld Nordkoreas

Das zivil-militärische Ermittlerteam hatte in seinem Bericht festgestellt, es gebe "überwältigende Beweise für den Schluss", dass ein U-Boot aus Nordkorea den Torpedo abgefeuert habe. "Es gibt keine andere glaubwürdige Erklärung." Zu dem Ergebnis seien sie durch die Analyse der Bruchstellen am Wrack der "Cheonan" und der am Unglücksort vor der Westküste Südkoreas gesammelten Trümmerteile gekommen.

Unter anderem hieß es, dass geborgene Teile eines Torpedos einem vor Jahren gefundenen Torpedo-Irrläufer aus Nordkorea glichen. Auch gebe es Hinweise dafür, dass sich kleine nordkoreanische U-Boote zum Zeitpunkt des Unglücks in der Nähe der Untergangsstelle aufgehalten hätten. An den Ermittlungen waren neben Südkoreanern auch Experten aus den USA, Australien, Großbritannien und Schweden beteiligt.

Südkorea will UN-Sicherheitsrat anrufen

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich höchst beunruhigt über die Untersuchungsergebnisse und die Drohgebährden der beiden koreanischen Staaten. Seoul hatte angedeutet, den Fall um die "Cheonan" vor den Weltsicherheitsrat bringen zu wollen. Für eine Verurteilung oder weitere Sanktionen gegen Pjöngjang durch den Rat wäre es laut Beobachtern wichtig, China von der Schuld Nordkoreas an dem Untergang zu überzeugen.

Durch internationale Zusammenarbeit wolle Südkorea das Regime in Pjöngjang dazu bringen, "seine Missetaten einzugestehen" und in verantwortlicher Weise in die internationale Gemeinschaft zurückzukehren, sagte Staatspräsident Lee in einem Telefonat mit dem australischen Regierungschef Kevin Rudd. Lee wolle am Freitag in Seoul den Nationalen Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung einberufen und kündigte "resolute Gegenmaßnahmen" an. Einen militärischen Gegenschlag erwägt die Regierung in Seoul aber offenbar nicht, sondern sie könnte den UN-Sicherheitsrat wegen schärferen Sanktionen gegen Nordkorea anrufen.

Nordkorea wies dagegen jede Verwicklung von sich. Wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf nordkoreanische Medien meldete, warnte Pjöngjang "vor einem Krieg im großen Stil", sollte es neue Sanktionen gegen das Land geben. Der Untersuchungsbericht sei eine "Fälschung". Nordkorea verlangte, die Ergebnisse von eigenen Ermittlern überprüfen zu lassen - was Südkorea umgehend ablehnte.

Nordkorea: Untersuchungsergebnisse fingiert

Nordkorea bestritt erneut, das Schiff versenkt zu haben. Ein Sprecher der Nationalen Verteidigungskommission - das mächtigste Gremium des Landes - unterstellte Seoul, die Untersuchungsbefunde fingiert zu haben. Zugleich habe die Kommission im staatlichen Fernsehen angeboten, ein eigenes Ermittlungsteam zu schicken, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap.

An der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer ist es bereits wiederholt zu Gefechten zwischen Schiffen beider Länder gekommen. Beide koreanischen Staaten befinden sich völkerrechtlich noch im Kriegszustand, da seit dem Ende des Korea-Kriegs (1950-53) noch kein Friedensvertrag geschlossen worden ist.

DPA · Reuters
DPA/Reuters