Krise in Ägypten Mursi verzichtet auf Sondervollmachten

Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi setzt das umstrittene Dekret über seine Sondervollmachten außer Kraft. Zuvor hatten Tausende tagelang gegen Mursis Machtausweitung protestiert.

Nach tagelangen Massenprotesten gegen die Ausweitung seiner Befugnisse hat der ägyptische Präsident Mohammed Mursi teilweise eingelenkt. Der Staatschef setzte das umstrittene Dekret über seine Sondervollmachten außer Kraft, wie der Politiker Selim al Awa in Kairo mitteilte. Der zweiten zentralen Forderung der Opposition, das Referendum über den Verfassungsentwurf zu verschieben, kam Mursi nicht nach. Unterdessen will sich die Opposition zu Beratungen versammeln.

Zuvor hatte der Präsident laut Regierungschef Hischam Kandil sechs Juristen und Politiker in ein Gremium berufen, um das Dekret zu überprüfen sowie um eine "juristische Lösung" für eine Verschiebung der Volksabstimmung zu suchen. al Awa, der selbst dem Gremium angehörte, gab die Ergebnisse der Beratungen am späten Abend an der Seite von Mursis Sprecher Jasser Ali bei einer Pressekonferenz bekannt. "Das Dekret ist ab sofort außer Kraft gesetzt", sagte der islamistische Politiker.

Demnach wurde ein neues Dekret erlassen. Es enthält nicht mehr den Satz, wonach die Entscheidungen des Präsidenten über allen juristischen Schritten stehen. Das neue Dekret sieht vor, dass es im Falle einer Ablehnung der Verfassung durch die Wähler am kommenden Samstag eine Wahl für eine neue verfassungsgebende Versammlung geben werde. Mursi habe auch alle nicht an den Beratungen beteiligten Gruppen gebeten, ihre Vorschläge für Änderungen an der Verfassung zu unterbreiten, sagte al-Awa. Die Nationale Heilsfront, ein Bündnis linker und liberaler Parteien, war bei dem Treffen nicht anwesend.

Referendum soll bleiben

Das Datum 15. Dezember für das Referendum bleibe bestehen, weil eine Verschiebung rechtlich nicht möglich sei. Mursi sei während der gesamten Sitzung des Gremiums anwesend gewesen, fügte al Awa hinzu. Er habe gesagt, er akzeptiere alle dort getroffenen Entscheidungen und werde sich an sie halten.

Das am 22. November von Mursi erlassene Dekret hatte tagelange massive Proteste mit mehreren Toten ausgelöst. Die Proteste richten auch gegen den im Eilverfahren durchgesetzten Verfassungsentwurf und den rasch angesetzten Volksentscheid. Mursis Gegner werfen der Regierung vor, eine religiöse Ausrichtung der Gesetzgebung erreichen zu wollen.

In dem festgefahrenen Konflikt schaltete sich die einflussreiche Armee ein und forderte Regierung und Opposition zum Dialog auf. Andernfalls werde Ägypten in einen "dunklen Tunnel mit katastrophalen Folgen" geraten. Die Armee forderte die Achtung des Rechts und der "demokratischen Regeln, auf die wir uns alle verständigt haben".

Dialogbereitschaft Mursis weiter fraglich

Fraglich war, ob die Opposition nach der Aufhebung des Dekrets in einen Dialog einwilligen würde. Am Freitag hatte die Nationale Heilsfront ein Gesprächsangebot Mursis zurückgewiesen. Bei den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz, dem zentralen Ort der Oppositionsproteste, wurde die Nachricht von der Aufhebung des Dekrets verhalten aufgenommen. "Das wird nichts ändern", sagte der Mursi-Gegner Mohammed Schakir. Ahmad Abdallah sagte, die hinter Mursi stehende Muslimbruderschaft müsse verschwinden. Diese habe die Gesellschaft gespalten. "Vor der Spaltung hatte Mursi eine Chance, jetzt ist es zu spät."

Die Nationale Heilsfront unter Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers Mohammed ElBaradei werde am Sonntag zusammenkommen, um über ihre Position zu diskutieren, sagte der Generalsekretär von ElBaradeis al-Dostur-Partei, Emad Abu Ghasi.

10.000 Gegner protestierten zuvor

Die Lage in Kairo war am Samstag ruhig. Noch am Freitag hatten in der Hauptstadt mehr als 10.000 Mursi-Gegner vor dem Präsidentenpalast demonstriert. Einigen Demonstranten gelang es, die Absperrungen zu überwinden. Soldaten riegelten das Gebäude mit Panzern und Stacheldraht ab.

Unterdessen flogen mehrere F-16-Kampfflugzeuge in geringer Höhe über die Hauptstadt Kairo. Ein Militärsprecher war für eine Erklärung nicht gleich verfügbar.

AFP
steh/AFP