Der Plan der EU-Kommission, den Anbau von Genpflanzen künftig jedem einzelnen Mitgliedsstaat zu überlassen, erntet Kritik von allen Seiten. "Wenn das durchgeht, ist das der erste Sargnagel für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU", sagte der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Bleser, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Deutschlands größter ökologischer Anbauverband Bioland bezeichnete die Regelung als "völlig unpraktikabel".
Bleser sagte, der Plan sei "eine Kapitulation vor Nichtregierungs-Organisationen und der eigenen Kompetenz, wissenschaftlich begründete Entscheidungen zu fällen". Die EU sei "vor einigen Ländern wie Österreich eingeknickt, die mit wissenschaftlichen Pseudo-Verboten bislang den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verhindert haben". Es sei "schizophren, wenn man auf EU-Ebene GVO zulässt, es dann aber den EU-Mitgliedstaaten überlässt, den Anbau zu genehmigen".
Bleser prophezeite eine chaotische Situation in der EU. Deutschland werde aber keine nationalen Alleingänge unternehmen. "Das bedeutet, dass wir nach einer EU-Zulassung auch hierzulande den GVO-Anbau erlauben."
Bioland begrüßte zwar, dass die Kommission auf Gentechnik-Kritiker reagiert habe. Die Regelung sei jedoch "völlig unpraktikabel", sagte Bioland-Präsident Thomas Dosch. "Die EU-Kommission drückt sich vor ihrer Verantwortung und erarbeitet keine europaweiten Regeln für die Koexistenz von gentechnikfrei arbeitenden Bauern und Landwirten mit GVO." Auch Dosch warnte vor "Chaos auf dem europäischen Markt". Wer gentechnikfreie Ware aus einem Nachbarland kaufe, könne sich künftig nicht mehr darauf verlassen. "Die Mehrkosten müssen diejenigen tragen, die ohne Gentechnik arbeiten wollen."
Die Umweltorganisation BUND erwartet eine zunehmende gentechnische Kontamination auch in Ländern, in denen es keinen Anbau genmodifizierter Pflanzen gibt. Gentechnik-Expertin Heike Moldenhauer sagte der "Frankfurter Rundschau", sie habe zudem große Zweifel an den rechtlichen Grundlagen, auf die sich die EU-Kommission bei ihrer Initiative stützt. Der BUND erwartet, dass die Gentechnikkonzerne vor Gericht ziehen würden, sollte ein Mitgliedsstaat oder Bundesland den Anbau der modifizierten Pflanzen auf Basis der EU-Vorgaben tatsächlich untersagen. Denn dabei handele es sich um eine rechtlich nicht bindende Leitlinie, mit der die Verbote erfolgten.
Der BUND fordert eine Änderung der tatsächlich bindenden Freisetzungsrichtlinie. Dies sei zwar angekündigt, werde aber Jahre dauern und mit Sicherheit zu weiteren womöglich negativen Änderungswünschen der Gentechnik-freundlich eingestellten Länder führen. Moldenhauer kritisiert zudem, dass die Kommission bisher keine Verbesserung im Zulassungsverfahren der Gen-Saaten ins Auge fasse, wie dies vom Umweltministerrat verlangt worden war. So würden Gen-Saaten weiter ohne ausreichende Prüfung der Langzeitfolgen für die Natur zugelassen.