Kritik des Wehrbeauftragten Robbe "Bundeswehr lässt ihre Soldaten im Stich"

Die Zahl traumatisierter Soldaten ist durch den Afghanistan-Einsatz rasant gestiegen. Doch nur wenige bekommen in der Heimat Hilfe - ein Skandal, kritisiert der scheidende Wehrbeauftragte Robbe.

Der scheidende Wehrbeauftragte Reinhold Robbe hat den Umgang der Bundeswehr mit Soldaten scharf kritisiert, die im Dienst verletzt wurden. Sie müssten oft jahrelang und häufig vergeblich um die Anerkennung ihrer Wehrdienstbeschädigung kämpfen, sagte er dem ARD-Magazin "Panorama". Das sei "verheerend" und ein "Skandal". Betroffene Soldaten würden von der Bundeswehr "im Stich gelassen". Vor allem Soldaten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) stünden mit ihren Erkrankungen oft allein da, bemängelte der SPD-Politiker.

Zahl der traumatisierten Soldaten verdoppelt

Bereits in seinem jüngsten und letzten Jahresbericht hatte Robbe darauf hingewiesen, dass die Zahl traumatisierter Bundeswehrsoldaten massiv gestiegen sei. So wurden im vergangenen Jahr 466 Soldaten wegen PTBS behandelt - doppelt so viele wie 2008. Fast 90 Prozent der erkrankten Soldaten gehörten demnach zur Internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan.

Nach wie vor ungeklärt sei die Dunkelziffer psychisch erkrankter Soldaten. "Nach meinen Erkenntnissen werden in der Truppe psychische Erkrankungen nach wie vor als stigmatisierend empfunden und von den Betroffenen insbesondere aus Angst vor persönlichen Nachteilen nicht offenbart", betonte Robbe in dem Wehrbericht.

Externe Gutachter müssen bewerten

Bis heute haben nach Angaben Robbes rund 600 Soldaten mit PTBS-Erkrankungen einen Antrag auf Wehrdienstbeschädigung eingereicht. Weniger als ein Drittel der Anträge seien anerkannt worden. Wie das Verteidigungsministerium auf Anfrage von "Panorama" mitteilte, ist die Zahl solcher Verfahren rasant gestiegen. Seien es im ganzen Jahr 2009 noch 109 Verfahren gewesen, so liege die Zahl schon jetzt bei 197. Zur Anerkennungsquote machte das Ministerium jedoch keine Angaben.

Typisch für diese Fälle sind dem Bericht zufolge eine lange Verfahrensdauer und am Ende ein negativer Bescheid. Dabei spielten externe, zivile Gutachter eine offenbar erhebliche Rolle. Eine solche Gutachterin aus Bremen etwa reduzierte den Beschädigungsgrad mit folgender Begründung: "Unter Beschuss zu stehen", könnte für einen Soldaten im Auslandseinsatz "nicht als außergewöhnlich belastend angesehen werden." Nach Auskunft des Verteidigungsministeriums sind für solche gutachtlichen Stellungnahmen nur drei Bundeswehr-Mitarbeiter fest eingeteilt, während insgesamt 22 Außengutachter für diese Aufgabe eingesetzt werden.

Im Zweifel gegen den Patienten

Robbe kritisierte die Vergabe von Gutachten "an Sachverständige, die von militärischer Materie offensichtlich keine Ahnung haben" massiv. "Hier muss unterstellt werden, dass der Dienstherr, der einen Auftrag gibt, ein bestimmtes Ergebnis haben will." Offenbar, so Robbe weiter, stecke System dahinter. Er müsse manchmal den Eindruck haben, dass in den "Wehrdienstbeschädigungsverfahren immer erst einmal für den Staat entschieden wird und gegen den betroffenen Patienten."

Auch der ehemalige Leiter der Psychiatrie im Bundeswehrkrankenhaus Bad Zwischenahn, Oberfeldarzt a. D. Klaus Pellnitz, bestätigt den Eindruck, es werde in den Gutachten gezielt nach Gründen gesucht, um den Schädigungsgrad herabzusetzen: "Ich habe nie erlebt, dass ein Grad der Schädigung heraufgesetzt wurde", erklärte er.

Ein weiteres Problem bei der Versorgung kranker Soldaten sind laut "Panorama" die unterschiedlichen Zuständigkeiten. Nach Entlassung aus der Bundeswehr sind die Versorgungsämter der Länder zuständig, doch die scheinen überfordert zu sein. Manche Anträge von Soldaten würden monatelang nicht bearbeitet. Ein ehemaliger Soldat aus Leipzig, Steven Ruhnke, stehe nach einem mittlerweile 15 Jahre dauernden Verfahren mittellos da. Das Versorgungsamt habe ihn nun an das Sozialamt verwiesen. Jetzt müsse der ehemalige Bundeswehrsoldat Sozialhilfe beantragen.

DPA
joe/DPA