Labour-Parteitag Atempause für Gordon Brown

Um die politische Zukunft von Englands Premierminister Gordon Brown sah es düster aus. Doch auf dem Labour-Parteitag in Manchester wusste er seine Parteifreunde mit einer mitreißenden Rede zu überzeugen und kann nun durchatmen - zumindest vorübergehend.

Für Gordon Brown waren es wohl die schlimmsten Tage seiner Amtszeit als britischer Premierminister. Doch was mit einer innerparteilichen Rebellion vor eineinhalb Wochen begann, endete am Dienstag in tosendem Applaus. Nach seiner Rede beim Parteitag in Manchester feierten die Labour-Abgeordneten ihren angeschlagenen Regierungschef, der an den Demütigungen und Angriffen der letzten Tage anscheinend gewachsen ist.

Nie ließ er in seiner Rede Zweifel aufkommen, dass ein anderer Premier die Partei oder gar das Land besser aus der Krise führen könnte als er. "Keine Zeit für Anfänger", rief er in Richtung Opposition - und sicher auch an die Adresse der parteiinternen Gegner, die lieber einen anderen Mann in Downing Street Nummer 10 haben wollen.

Brown setzt auf Emotionen

Nicht weniger als die beste Rede seines Lebens war von Brown erwartet worden, um nach einem Absturz in der Wählergunst und einem Autoritätsverlust in den eigenen Reihen sein politisches Überleben zu sichern. Und Labour bekam einen Brown zu sehen, der nichts mit dem sonst eher mürrischen Schotten gemein hatte.

Vom Kuss für seine Frau, die seine Rede überraschend einleitete, bis zur Schilderung seiner Angst vor ewiger Dunkelheit, als er nach einem Rugby-Unfall nicht nur die Sehkraft auf dem linken Auge verlor, sondern auch um das rechte Auge bangte, setzte er auf Emotionen. Und Brown bediente zielgenau die Wünsche der geschundenen Labour-Seelen, als er seine Visionen eines fairen Großbritanniens mit Schlagwörtern wie Chancengleichheit, Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit garnierte. "Gerechtigkeit liegt in unseren Genen", rief er den Delegierten zu.

Wirtschaftskrise spielt Brown in die Karten

Mit seiner Rede dürfte sich Brown nach wochenlangen parteiinternen Querschüssen zumindest eine Atempause im Kampf um seine politische Zukunft verschafft haben. Neben seiner Parteitagsrede spielt vor allem die Wirtschaftskrise dem langjährigen Finanzminister in die Karten. Schließlich hätte es der Wähler Labour kaum verziehen, wenn der Fachmann Brown inmitten der Krise aus dem Amt gejagt worden wäre - wie es seine Gegner am liebsten gesehen hätten.

Doch der nächste Sturm droht Labour schon im November, falls eine Nachwahl in Schottland verloren gehen sollte. Spätestens nach der Europawahl im Sommer dürfte es zum Schwur kommen, ob Labour mit oder ohne Brown in die nächste Parlamentswahl geht, die spätestens Mitte 2010 ansteht.

Hätten sich die Rebellen schon jetzt durchgesetzt, hätte dies für Labour ein politisches Himmelfahrtskommando bedeutet. Nach einem Sturz Browns wären vorgezogene Wahlen unumgänglich geworden, die desaströsen Umfragewerte, gepaart mit dem Mehrheitswahlrecht, hätten die Partei von weiten Teilen der politischen Landkarte hinweggefegt.

Außenminister Miliband fürchtet "Heseltine-Effekt"

Allerdings darf bezweifelt werden, dass sich an der düsteren Ausgangslage für Labour überhaupt noch etwas ändert. Seit Monaten behaupten die oppositionellen Konservativen um Parteichef David Cameron einen zweistelligen Vorsprung in den Umfragen. Rezession und Inflation dürften den Überdruss der Wähler nach elf Jahren Labour- Regierung auch nicht schmälern.

Bleibt die Frage nach einem Hoffnungsträger. Außenminister David Miliband wird stets genannt, wenn es um die Nachfolge Browns geht. Bei seiner Parteitagsrede hatte Miliband den Premier artig gelobt. Einen Ausrutscher leistete er sich dann aber in einem vertraulichen Gespräch, das ein Reporter mitbekommen hatte. Darin sagte Miliband laut BBC, er habe in seiner Rede nicht weiter gehen können, ohne einen "Heseltine-Effekt" heraufzubeschwören. Damit spielte er auf den früheren konservativen Minister Michael Heseltine an, der bei einem Parteitag der Konservativen 1990 mit scharfer Kritik an der Premierministerin Margaret Thatcher zum "Königinnen-Mörder" wurde - aber schließlich John Major das Feld überlassen musste.

Thomas Pfaffe/DPA