Bei seiner Abreise aus Damaskus zeigte sich UN-Sondervermittler Kofi Annan vorsichtig optimistisch. Doch die Vorschläge, mit denen er aktuell in der Region hausieren geht, haben nach Einschätzung der syrischen Opposition nichts mit der Realität in Syrien zu tun. Offiziell ist zwar bislang noch nichts veröffentlicht worden. Doch im Kern soll es darum gehen, in den einzelnen Unruheprovinzen Schritt für Schritt eine Waffenruhe zu erreichen.
Dann sollen nach Angaben arabischer Diplomaten, die Machthaber Baschar al Assad wohlgesonnen sind, die Waffen der Deserteure und Rebellen eingesammelt werden. Den Angehörigen der "bewaffneten Opposition" soll im Gegenzug Straffreiheit zugesichert werden.
Außerdem soll ein politischer Dialog zwischen dem Regime und der Opposition in Gang gesetzt werden. Das Regime soll dabei von Staatsminister Ali Haidar, einem ehemaligen Studienkollegen von Präsident Assad, vertreten werden. Damit wäre aber Vizepräsident Faruk al-Scharaa aus dem Rennen, ein Sunnit, der zumindest von Teilen der Opposition akzeptiert werden könnte.
Die Nachricht des Tages
"Tausende von politischen Gefangenen sitzen immer noch in den Gefängnissen. In den Städten stehen Panzer. Wie soll man da verhandeln?", fragt Amer al Sadek, der zu den Aktivisten der ersten Stunde gehört. Ein Dialog "unter dem Dach des Regimes" sei aus der Sicht der Protestbewegung keine Option.
Auch der mit dem Islamisten sympathisierende Menschenrechtsanwalt Haitham al Maleh hält den Vorstoß von Annan für aussichtslos. Aus seiner Sicht ist dies ebenso wenig die Nachricht des Tages wie der neue Vorstoß der westlichen Staaten im Sicherheitsrat für nicht-militärische Sanktionen gegen das Regime.
Den Oppositionellen, der seit seiner Flucht aus Syrien im vergangenen Jahr keine Oppositionskonferenz ausgelassen hat, elektrisiert vielmehr die Rede des syrischen Botschafters in Bagdad, der sich nach 16 Monaten Aufstand von einem Regime losgesagt hat, dem er über Jahrzehnte treu gedient hatte. Al Maleh hofft, dass der innere Zirkel der syrischen Führung unter dem Druck der Proteste und des bewaffneten Widerstandes so lange erodieren wird, bis das Regime schließlich ganz zerbröckelt.
Wie das Treffen zwischen Assad und Annan angeblich verlaufen ist, erfahren Sie auf der nächsten Seite...
Reiseverbote, Festnahmen und ein angebliches Protokoll
Der Syrische Nationalrat (SNC), dem sich die meisten der etablierten Oppositionsgruppen angeschlossen haben, wird unterdessen nicht müde zu betonen, dass "der politische Prozess erst nach dem Rücktritt von Assad beginnen kann". Daher stellt sich die Frage, wen Annan für einen Dialog mit dem Regime überhaupt präsentieren könnte.
Denn sogar das Nationale Koordinierungskomitee für den demokratischen Wandel, das sich bisher als einzige bedeutende Gruppierung der Opposition von den bewaffneten Widerstandsgruppen distanziert hatte, wird vom Sicherheitsapparat inzwischen mit Reiseverboten und Festnahmen in die Zange genommen.
Laut dem angeblichen Protokoll des Treffens zwischen Assad und Annan soll der syrische Präsident in seinem Gespräch mit dem Sondergesandten auf diese Schwierigkeit sogar selbst hingewiesen haben: "Ich denke, das größere Problem werden Sie auf der anderen Seite haben, nicht mit uns.", sagte er nach Informationen der libanesischen Zeitung "Al Akhbar" zu Annan. "Werden Sie in der Lage sein, einen Namen zu präsentieren von jemandem, der die Opposition vertritt?"