Es liegt an dir, nicht an uns. So könnte das Trennungsgespräch zwischen dem Freedom Caucus und einem seiner wahrscheinlich bekanntesten, mit Sicherheit aber lautesten Mitglieder laufen: Marjorie Taylor Greene, kurz MTG.
Der Rechtsaußenflügel der Republikaner im US-Repräsentantenhaus hat übereinstimmenden Medienberichten zufolge MTG bereits vor zwei Wochen den Laufpass gegeben – angeblich, weil sie eine Kollegin beleidigt hat. Nun muss man keine Verschwörungstheoretikerin wie Taylor Greene sein, um mehr hinter ihrem Rausschmiss zu vermuten.
Der "little bitch"-Vorfall
Der Freedom Caucus ist eines der einflussreichsten Syndikate innerhalb der Grand Old Party. Die Verbindung gilt selbst unter den Rechten besonders rechts. Prominente Mitglieder sind Figuren wie Jim Jordan, Matt Gaetz oder Mark Meadows – Floridas Gouverneur Ron DeSantis gehörte zu den Gründern. Abseits von ihrer Gesinnung eint die Abgeordneten eine schier unerschütterliche Loyalität gegenüber Donald Trump.
Nun stimmten die Mitglieder des Freedom Caucus offenbar bereits vor zwei Wochen für den Ausschluss der Abgeordneten aus Georgia – nach Informationen von "NBC News" mit "überwältigender Mehrheit". Ob MTGs Rausschmiss formal vollzogen ist, ist nicht ganz klar. "Soweit ich weiß, ist es so", zitieren "Politico" und CNN den Caucus-Angehörigen Andy Harris. "NBC News" zufolge habe die Sitzung am frühen Morgen, am letzten Tag vor der Sommerpause und ohne Ankündigung stattgefunden. Eventuell waren nicht ausreichend Mitglieder anwesend, als dass das Ergebnis beschlussfähig wäre. Es ist also möglich, dass die Abstimmung wiederholt werden muss. Das dürfte allerdings reine Formalität sein.
Es wäre das erste Mal überhaupt, dass die rechte Verbindung eines ihrer Mitglieder vor die Tür setzt. Dass es so weit kam, sei die Konsequenz "für einige der Dinge, die sie getan hat", habe Harris erklärt. Eines der entscheidenden dieser "Dinge" soll ein verbaler Ausbruch zwei Tage vor der Abstimmung gewesen sein. Da habe MTG ihre Caucus-Kollegin Lauren Boebert als "little bitch" bezeichnet. Dass sie Boebert "kleine Schlampe" nannte, stritt die 49-Jährige nicht einmal ab – im Gegenteil. Auf Nachfrage soll sie noch ein saftiges Wort draufgelegt haben. Es war nicht das erste Mal, dass MTG und Boebert, die selbst zu den radikalsten Radikalen zählt, aneinandergerieten.
Marjorie Taylor Greene: lauter und rechter als der Rest
Nun gehört das Wort "bitch" allerdings zweifelsfrei noch zum gesitteteren Vokabular der Trumpistin.
Denn die Grenzen des Sagbaren zu überschreiten, das ist ihr täglich Brot. Sie äußerte sich nicht nur offen rassistisch, sondern ließ Washington immer wieder auch an absurden Verschwörungstheorien teilhaben: Sie behauptete unter anderem, jüdische Bankiers hätten Waldbrände in den USA per Laser aus dem Weltall entfacht, und dass es einen geheimen Plan gebe, heterosexuelle Menschen gegen homosexuelle Menschen auszutauschen. Selbstredend propagiert sie auch Trumps unbelegte Behauptung des Wahldiebstahls. Zu ihrem eigenen Amtseid trug sie eine Corona-Maske mit der Aufschrift "Trump hat gewonnen". Für alles, was ihr Präsident sagt, gibt Taylor Greene das Echo – schließlich ist sie auf dessen Rücken die Karriereleiter hochgefallen.
Ihre verbalen Entgleisungen ließ der Freedom Caucus bislang ungerührt durchgehen. Dass MTGs Ausfall gegenüber Boebert am Ende für ihre Verbannung sorgte, ist zumindest zweifelhaft. Die wahrscheinlichere Erklärung: Sie hat sich beim Machtpoker verzockt.
Nähe zu McCarthy wird MTG zum Verhängnis
MTG war ihrer Parlamentsfamilie bereits Anfang des Jahres untreu geworden. Während sich ein Gros ihrer ultrarechten Clique gegen die Wahl Kevin McCarthys zum Sprecher des Repräsentantenhauses sträubte (der stern berichtete), hatte sich Taylor Greene von Anfang an hinter ihn gestellt – Experten zufolge hatte sie sich ihre neue Loyalität im Vorfeld politisch vergolden lassen. McCarthys Wahlmarathon geriet für die GOP zum hochpeinlichen Fiasko, doch MTG wurde am Ende Königsmacherin.
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Es sollte nicht der letzte Bruch mit dem Freedom Caucus sein. In dem ausufernden Schuldenstreit mit dem Weißen Haus ließ sich der anfangs bockige McCarthy auf einen Kompromiss mit Präsident Joe Biden ein – Hochverrat in den Augen vieler Rechtsaußenpolitiker. MTG wiederum wurde ihre opportune Nähe zu McCarthy vermutlich zum Verhängnis.
Suche nach einer neuen Familie?
Dass sie nicht nur bei den ihr verhassten Demokraten (die sie schon eine "Partei der Pädophilen" nannte) Kopfschmerzen verursacht, sondern auch bei den Großen in der eigene Partei gelinde gesagt aneckt, ist nichts Neues. Senats-Minderheitsführer Mitch McConnell bezeichnete MTGs Ansichten als "Krebsgeschwür" für die Partei.
MTG selbst reagierte auf ihren mutmaßlichen Rausschmiss aus dem Freedom Caucus gewohnt trotzig. Sie diene "in erster Linie dem Nordwesten Georgias und nicht einer Gruppe in Washington", sagte in einer Erklärung am Donnerstag. Ihre Partei habe nun "zwei Jahre Zeit, um Amerika zu zeigen, was ein starker, einheitlich von den Republikanern geführter Kongress tun wird, wenn Präsident Trump 2024 das Weiße Haus gewinnt. Das ist mein Fokus, nichts anderes", so MTG weiter.
Ob sich MTG nun auf die Suche nach einer neuen politischen Heimat begibt? Unwahrscheinlich. Ganz rechts will man sie nicht, für alles in Richtung Mitte ist sie zu rechts. Bis sie weiß, wohin, wird sie vermutlich wie immer auf sich selbst hören: "Ablenkungen zu vermeiden ist der Schlüssel, um konzentriert zu bleiben", twitterte sie am Donnerstag. Darunter postete sie ein Video, in dem sie Golf spielt. Ein Einzelsport.