Maxim Galkin Von einer Ikone zum Aussätzigen – wie der Kreml Rache an einem Megastar übt

Maxim Galkin und seine Ehefrau Alla Pugatschowa haben Russland verlassen und leben jetzt in Israel 
Maxim Galkin und seine Ehefrau Alla Pugatschowa haben Russland verlassen und leben jetzt in Israel 
© Sergei Karpukhin / Picture Alliance
Maxim Galkin ist eins der populärsten Gesichter des russischen Show-Business. In Russland ist er so beliebt wie Günther Jauch und Hape Kerkeling zusammen. Doch sein Fall zeigt nun: Der Kreml kann jeden vom Olymp stoßen. 

Komiker, Moderator und ein begnadeter Parodist – Maxim Galkin hat viele Talente. Seine Beliebtheit und seine Ehe mit dem russischen Idol Alla Pugatschowa, die fast zum nationalen Kulturerbe gezählt werden kann, verlieh ihm lange einen Status der Unantastbarkeit. Viele Jahre nahm er sich das raus, was in Russland nicht viele Personen des öffentlichen Lebens wagen: Spott über Wladimir Putin und seine Getreuen. Seine genialen Parodien auf den Kreml-Chef durfte Galkin nicht im Staatsfernsehen zum Besten geben. Doch bei seinen Konzerten nahm er keinen Blatt vor den Mund. Überfüllte Säle grölten vor Lachen, wann auch immer Galkin in die stockende, verklemmte Sprechweise Putins verfiel – egal ob in Russland, Europa oder USA. 

Es ist eine riesige Fangemeinde, auf die sich Galkin stützen kann. Putin selbst soll einmal dazu gehört haben – und beide Augen für die Spötteleien des Megastars zugedrückt haben. Bis vor kurzem.

Der Krieg in der Ukraine änderte alles für Galkin. Die russischen Truppen standen wenige Stunden im Nachbarland, als Galkin sich gegen den Krieg positionierte: "Ich bin seit dem frühesten Morgen in Verbindung mit meinen Verwandten und Freunden in der Ukraine. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie ich fühle! Wie ist all das nur möglich! Es kann keine Rechtfertigung für Krieg geben! Nein zum Krieg!", schrieb Galkin auf seinem Instagram-Kanal am ersten Tag des Kriegs.

9,5 Millionen Menschen folgen dem Parodisten in dem sozialen Netzwerk, das in Russland inzwischen als "extremistisch" gilt und im Zug einer riesigen Zensur-Kampagne blockiert worden ist. 

Maxim Galkin verlässt Russland 

Ahnend was kommen mag, waren Galkin und seine Frau Pugatschowa unter den ersten Stars, die Russland den Rücken kehrten. Wie für tausende russische Bürger mit jüdischen Wurzeln hieß sein Ziel Israel. Der Entertainer stammt aus einer jüdischen Offiziersfamilie. In Israel angekommen, hält Galkin auch weiter nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg.

Am orthodoxen Osterfest richtete der 45-Jährige scharfe Worte gegen die Regierung in Moskau: "Ich kann nicht anders, als einige Fragen zu stellen, die jeder normale Mensch sich stellen muss. Am Vortag des Osterfestes, (...), treffen russische Raketen ein Wohnhaus in Odessa. Eine Familie kommt ums Leben, ein drei Monate alter Säugling stirbt. Wie passt das zusammen? Wie? Erklärt mir das!"

"Russland ist an so vielen schrecklichen Dingen schuld"

"Fangen wir damit an, dass Raketen keine Wohnhäuser zum Ziel haben sollten. Und das auch an Werktagen, und nicht nur an Feiertagen", wagt Galkin eine kleine sarkastische Pointe. "Aber nun höre ich, dass diese ach so genauen Raketen ein Wohnhaus getroffen haben, weil die ukrainische Luftabwehr sie abgeschossen hat." Kopfschütteln. Im Gesicht des Komikers steht bei diesen Worten ein völliges Unverständnis. "Also heißt das, dass die Luftabwehr die Arbeit einstellen muss? Und dann ist alles in Ordnung?" 

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"Russland ist an so vielen schrecklichen Dingen schuld. Behauptet aber keine Schuld zu tragen: Die Gräueltaten in Butscha – das waren wir nicht! Die malaysische Boeing – das waren wir nicht! Mariupol dem Boden gleichgemacht – das waren wir nicht! Eine Rakete schlägt in Odessa ein – das waren wir, aber nicht ganz! Alles waren wir nicht!", fasst Galkin den Standpunkt des Kremls zusammen. Seine berechtigte Frage: "Was machen wir aber dann dort?" 

Eine Frage, auf die zusammen mit Galkin die Welt keine Antwort bekommt. Stattdessen wird der Komiker zum Staatsfeind erklärt. 

Hexenjagd auf Maxim Galkin 

In den vergangenen Tagen ergoss die Kreml-Propaganda einen ganzen Kübel aus Schmutz und Dreck über Galkin. Seine Konzerte wurden abgesagt. Sein Gesicht im Fernsehen verboten. Er verlor alle Werbeaufträge. Sein Besitz in Russland soll konfisziert werden. Kremltreue Zeitungen verbreiteten, er sei in Israel in einen Mordfall verwickelt. Seine Frau Pugatschowa sei dem Tod nahe. Er sei ein Verräter. 

Die Krönung setzte der Hexenjagd RT-Chefin Margarita Simonjan auf. "Er erlaubt sich solche Sachen, dass ich mir erlaube das zu sagen, was ich schon immer über ihn gedacht habe: Wenn ein Mensch, von dem alle wissen, dass er ein Homo ist, als Ablenkungsmanöver, zur persönlichen Bereicherung, für seine Karriere eine betagte Frau heiratet und sein Auditorium davon überzeugt, dass sie eine wahre Liebe verbindet, dann wird das ganze Aufmaß der Scheinheiligkeit, der Verlogenheit und allgemeiner Qualitäten dieses Menschen deutlich." 

Damit spielte die Chefin des Propagandasenders RT auf Galkins Ehe mit der 73-Jährigen Pugatschowa an. "Du bist ein solch verlogener Mensch. (...) Und du erlaubst es dir, mein Vaterland mit Dreck zu bewerfen", echauffierte sie sich weiter in einer Show im Staatsfernsehen. 

Homosexualität wird zur Brandmarkung  

Dass Galkin tatsächlich homosexuell ist und eine Scheinehe mit Pugatschowa führt, ist ein offenes Geheimnis. Doch wie so oft, spricht in Russland niemand über Offensichtliches. Wie im Fall von vielen anderen Stars geht man schweigend über die Homosexualität hinweg, solange die Betroffenen zu den Publikumslieblingen gehören – und noch wichtiger, solange sie der Kreml-Linie treu sind. 

Was geschieht, wenn dies nicht mehr der Fall ist, demonstriert nun der Fall Galkin. Seine Sexualität wird zu Waffe gegen ihn, um ihn vom Olymp des Show-Business zu stoßen. In den letzten Jahren hat die öffentliche Homophobie in Russland ungeahnte Ausmaße angenommen. Jemanden als homosexuell zu brandmarken, kommt einer öffentlichen Erklärung zum Aussätzigen gleich. 

Allen Anfeindungen zum Trotz 

Doch Galkin lässt sich davon nicht schrecken: In Israel wird er im Juni mehrere Konzerte geben. Die Erlöse aus dem Ticketverkauf sollen Flüchtlingen aus der Ukraine zugutekommen. Die russischsprachige Community reagierte mit einer reißenden Nachfrage. Die Karten sind inzwischen ausverkauft.