In Russland wächst der Protest gegen den Krieg in der Ukraine. Nicht nur die einfachen Bürger gehen auf die Straße, um gegen Wladimir Putins Invasion zu demonstrieren. Auch wenn ihnen dafür harte Strafen drohen. Auch die russische Prominenz ergreift zunehmend Partei gegen die Politik des Kremls.
Der Rapper Oxxxymiron sagte sein Konzert aus Protest gegen die russische Invasion in der Ukraine ab und wandte sich in einem emotionalen Appell an seine Anhänger. "Ich begnüge mich heute nicht mit den Worten, dass ich für den Frieden und gegen den Krieg bin. Denn das sagen immer alle, aber das hindert sie nicht daran, Angriffskriege zu führen", erklärte er in einer Botschaft auf Instagram. "Ich bin gegen den Krieg, den Russland gerade gegen das Volk der Ukraine entfesselt hat. Ich denke, er ist eine Katastrophe und ein Verbrechen", erklärte der 37-Jährige, der eine Ikone des russischen Raps ist.
Die Kriege im Irak, Afghanistan oder auch die Bombardierung von Belgrad könnten keinesfalls den aktuellen Krieg rechtfertigen. "Wir dürfen nicht die Fehler und Verbrechen anderer dazu benutzen, unsere eigenen Fehler und Verbrechen zu begründen", appelliert er. "Und egal wie sehr man versucht, zu erklären, es sei keine Aggression, sondern Verteidigung: Es ist nicht die Ukraine, die auf russisches Territorium einmarschiert ist. Es ist Russland, das in diesem Moment einen souveränen Staat zerbombt."
"Ich kann euch nicht unterhalten, solange russische Raketen auf die Ukraine niedergehen", begründete er an seine Fans gerichtet seine Konzert-Absage. "Solange die Bewohner von Kiew sich in den Kellern und der Metro verstecken müssen. Solange Menschen sterben." Er könne nicht schweigen. "Ich weiß, dass der Großteil der Menschen in Russland gegen diesen Krieg ist. Und je mehr Leute das sagen, desto schneller können wir diesen Alptraum aufhalten."
Sänger Sergej Lazarew
Auch Prominente, die bislang der Kreml-Linie entsprachen, wenden sich nun gegen die russische Regierung. Der Pop-Sänger Sergej Lazarew schrieb auf Instagram "Ich weine wie ein Junge. Weil ich genug davon habe, dass die Mächtigen dieser Welt sich weiter in Stärke und Waffen messen. Aber verdammt, wir haben nur ein Leben und es vergeht. Und niemand kann schon seit vielen Jahren aufatmen und Pläne für den morgigen Tag machen, weil Politiker andere Pläne haben!!"

Lazarew vertrat Russland beim Eurovision Song Contest 2016 in Stockholm, bei dem er mit dem Lied "You Are the Only One" den 3. Platz erreichte. Er gehört zu den Künstlern, die dem Kreml genehm sind, und ist oft im Staatsfernsehen zu sehen. Auf die Gefahr hin, dass sich das ändert, appellierte er dennoch: "Bitte, haltet alle ein! Alle auf einmal! Sagt Stopp! Setzt Euch an den Verhandlungstisch! Lasst die Menschen Leben! Niemand unterstützt den Krieg! Ich möchte, dass meine Kinder in Frieden leben!" Auf Instagram hat der Sänger 4,7 Millionen Follower.
Sänger Waleri Meladse: "Die Menschen dürfen nicht sterben"
Der Sänger Waleri Meladse, der seit 30 Jahren einer der größten Figuren des russischen Show-Business ist, richtete sich direkt an den Kreml: "Ich bitte Euch, die kriegerischen Operationen zu stoppen und sich an den Verhandlungstisch zu setzten", appellierte er direkt an die Regierung. Dabei bediente er sich des vom Kreml vorgeschriebenen Terminus der kriegerischen Operationen und sprach nicht vom Krieg. Das Wort ist in den russischen Staatsmedien schlichtweg verboten. Dennoch nahm Meladse, der im Kreml ein gern gesehener Sänger ist, einen Weg, seine Haltung zum Ausdruck zu bringen: "Die Menschen dürfen nicht sterben. Das muss man stoppen."
Russische Bürger bieten Putin die Stirn – der Kreml antwortet mit Gewalt

Komiker Maxim Galkin: "Es kann keine Rechtfertigung für Krieg geben!"
Der Komiker und Moderator Maxim Galkin schrieb am ersten Tag des Krieges auf seinem Instagram-Kanal: "Ich bin seit dem frühesten Morgen in Verbindung mit meinen Verwandten und Freunden in der Ukraine. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie ich fühle! Wie ist all das nur möglich! Es kann keine Rechtfertigung für Krieg geben! Nein zum Krieg!" Galkin ist eines der populärsten Gesichter des russischen Fernsehens und Ehemann von Alla Pugatschowa, der "russischen Madonna".
Rapper Morgenstern appelliert an Soldaten
Der Rapper Morgenstern befindet sich selbst gerade auf der Flucht vor dem Regime in Moskau. Dennoch bezog er deutlich Stellung und wandte sich an die russischen Soldaten: "Was ist der Witz dabei, auf Befehl von wichtigen Säcken zu sterben? Und überhaupt: Wozu verdammt nochmal Krieg führen, wenn man vögeln, Wein trinken und tanzen kann?", schrieb er in seiner eigenen skandalösen Manier.
Offene Protest-Briefe von Künstlern, Autoren und Designern
Auch in der kulturellen Elite Russlands wird Stellung gegen Putin bezogen. Der Star-Choreograf des Bolshoi Theaters Alexei Ratmansky hat das Land verlassen. Die russischen Kunst- und Kulturschaffenden haben einen offenen Brief gegen den Krieg in der Ukraine veröffentlicht. "Der Krieg in der Ukraine ist sowohl für Ukrainer als auch für Russen eine schreckliche Tragödie", heißt es darin. "Sie fordert enorme Menschenopfer, bedroht Wirtschaft und Sicherheit und führt unser Land in die völlige internationale Isolation... Der Vorwand, unter dem die 'Sonderoperation' stattfindet, wurde vollständig von den russischen Behörden konstruiert, und wir sind dagegen, dass dieser Krieg in unserem Namen geführt wird", schreiben die Künstler, Kuratoren, Architekten, Kritiker und Kunstkritiker. "Wir bringen unsere absolute Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zum Ausdruck und sagen ein entschiedenes 'Nein zum Krieg!'. Wir fordern eine sofortige Einstellung aller Feindseligkeiten, den Abzug der Truppen aus der Ukraine und Friedensgespräche", heißt es zum Schluss des Schreibens.
Einen ähnlichen offenen Brief haben Autoren, Übersetzter, Journalisten und Verleger und Illustratoren veröffentlicht: "Am 24. Februar 2022 marschierten die russischen Streitkräfte in das Territorium der Ukraine ein. Dies ist keine friedenserhaltende Operation, wie Sie es nennen. Das ist Krieg", schreiben sie und strafen damit die Kreml-Propaganda Lügen.
Auch Designer schlossen sich dem Protest an: "Wir, Designer und Illustratoren aus Russland, sind entschieden gegen die Militäraktionen der Streitkräfte unseres Landes in der Ukraine! Krieg ist Aggression, Zerstörung, Egoismus und Entmenschlichung. Militärische Aktionen zerstören Schicksale und zerreißen menschliche Bindungen", schrieben sie in ihrem offenen Brief. "Wir unterstützen voll und ganz die Souveränität der Ukraine, die auf der Arbeit demokratischer Institutionen beruht. Wir glauben, dass das ukrainische Volk alle seine inneren Probleme und Konflikte ohne die Intervention der russischen Armee selbst lösen kann. Wir fordern die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität des ukrainischen Staates. Wir fordern Frieden für unsere Länder!"