Während Wladimir Putin seinen Krieg in der Ukraine führt, sehen Millionen von Russen hilflos dabei zu, wie in ihrem Namen ein Verbrechen begangen wird. Schock, Wut, Scham: In der russischen Gesellschaft ist das Entsetzen groß. Trotz der massiven jahrzehntelangen Propaganda, Putins großen Ansprachen in den vergangenen Tagen und der Parallelwelt, die das Staatsfernsehen präsentiert – Kriegsbegeisterung ist in Russland nicht zu sehen. Im Gegenteil. #нетвойне. Nein zum Krieg. Dieser Hashtag beherrscht in den vergangenen Tagen das russische Twitter.
Der Protest findet aber nicht nur im Netz statt. Am Donnerstagabend gingen in mindesten 53 Städten Menschen auf die Straße, um gegen den Krieg in der Ukraine zu protestieren. Nach Angaben von Bürgerrechtlern sind mehr als 1700 Menschen festgenommen worden, meldete das Bürgerrechtsportal Owd-Info. In der russischen Hauptstadt Moskau riefen die Menschen auf dem zentralen Puschkin-Platz "Nein zum Krieg!". 1000 bis 2000 Menschen sollen sich an dem Protest in der Hauptstadt beteiligt haben. Der Kreml ließ bereits am Vorabend den Roten Platz absperren – aus Angst vor Protesten vor den eigenen Mauern.
Der russischen Regierung entgeht die Stimmung im Land nicht. Sie drohte für den Fall von Demonstrationen gegen den Einmarsch in die Ukraine mit harten Strafen. Wer an Kundgebungen zur "angespannten außenpolitischen Lage" teilnehme, werde strafrechtlich verfolgt, teilte das Investigativkomitee mit. Ähnliche Warnungen veröffentlichten das Innenministerium und die Staatsanwaltschaft.
Trotz der angedrohten harten Strafen wagten die russischen Bürger den Protest. In Sankt Petersburg fanden diese im Zentrum der Stadt auf dem Nevsky Prospekt statt. Auch hier ging die Polizei gewaltsam bei den Festnahmen vor, wie Augenzeugenvideos zeigen. "In Putin, in 'unserer' Regierung und Polizei ist nichts mehr Menschliches übrig", schrieb eine Demonstrantin auf Twitter. "Was sie mit der Ukraine machen, ist unglaublich. Wie sie friedlich russische Demonstranten behandeln, ist unglaublich."
Auf einem weiteren Video ist zu hören, wie die Demonstranten "Nein zum Krieg" rufen.
Viele Protestierende hatten angesichts des von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Einmarschs in die Ukraine Tränen in den Augen. Es waren die größten Proteste seit Anfang vergangenen Jahres, als der Kremlgegner Alexej Nawalny nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Moskau festgenommen wurde. Inzwischen sind sein Anti-Korruptionsfond FBK und seine Stäbe zerschlagen.