Dem Schicksal überlassen Gefangen in der Ukraine: Dieser Fall zeigt, wie Putin mit eigenen Soldaten umgeht

Ukraine: Das ukrainische Militär präsentierte am ersten Tag des Krieges diesen jungen Mann als russischen Gefangenen
Ukraine: Das ukrainische Militär präsentierte am ersten Tag des Krieges diesen jungen Mann als russischen Gefangenen. Seine Eltern haben ihn wiedererkannt. 
© Streitkräfte der Ukraine
"Ich will nicht, dass mein Sohn als Kanonenfutter herhält." Das sagt der Vater eines russischen Soldaten, der in der Ukraine in die Gefangenschaft geraten ist. Erfahren hat er davon aus dem Netz. Der Kreml schweigt zum Schicksal seines Sohnes. 

Es ist der vierte Tag des Kriegs, den Wladimir Putin in der Ukraine vom Damm gebrochen hat. Menschen sterben – auch russische Soldaten. Die ukrainischen Behörden sprachen am vergangenen Samstag von 3500 Toten und wandten sich an das Rote Kreuz, mit der Bitte die Leichen der gefallenen russischen Soldaten zurück in ihre Heimat zu bringen. Denn der Kreml weigert sich schlicht, jegliche Verluste einzugestehen.

Die Angabe der ukrainischen Seite dürften überhöht sein. Es ist die übliche Kriegspraxis: Die gegnerischen Parteien übertreiben in ihren Berichten meist die Verluste des Gegners und spielen ihre eigenen herunter. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist in heißen Konflikten meist nicht möglich.

So auch in der Ukraine. Doch Bilder und Videos beweisen, dass es russische Verluste gibt. Und auch Gefangene. Der Fall des Soldaten Rachmankulow führt jedoch vor, welche Missachtung der Kreml seinen eigenen Soldaten entgegenbringt.

Eltern erkennen ihren gefangenen Sohn 

Am 24. Februar, am ersten Tag der russischen Invasion, meldeten die ukrainischen Streitkräfte die Gefangennahme des jungen Mannes. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine veröffentlichte Bilder von ihm und eines weiteren russischen Soldaten, der offenbar auch in die Gefangenschaft geraten ist. Das russische Staatsfernsehen tat diese Informationen als Fälschung ab.

Doch Angehörige von Rachmankulow erkannten ihren Sohn auf den veröffentlichen Bildern. Sie wandten sich an das "Komitee der Soldatenmütter Russlands". Auch die Eltern des zweiten Soldaten baten die Organisation um Hilfe. "Die Jungs haben jeden Kontakt abgebrochen, sobald verkündet worden ist, dass russische Truppen auf das Territorium der Ukraine geschickt werden", erzählte Swetlana Golub, die Vorsitzende des "Komitees der Soldatenmütter Russlands", gegenüber dem unabhängigen TV-Sender Dozhd. "Die Eltern waren durch diese Ankündigung alarmiert. Sie haben zunächst selbst versucht, die Jungs anzurufen. Aber diese waren nicht mehr erreichbar."

Die genaue Anzahl der Anfragen seitens der Eltern die Informationen über ihre Söhne suchen, kann Golub nicht genau nennen. "Etwa zehn innerhalb von einer oder zwei Stunden werden es sein." Auf die Anfragen des Vereins reagiert das russische Verteidigungsministerium nicht.

"Ich will nicht, dass mein Sohn als Kanonenfutter herhält"

Dem unabhängige Sender Dozhd gelang es, mit dem Vater von Rachmankulow zu sprechen. Sein 19-jähriger Sohn sei erst seit 1,5 Monaten Vertragssoldat. Er habe von der Gefangenenahme durch die Bilder im Netz erfahren, erzählte er. Zunächst habe er glauben wollen, dass es ein Fake ist, doch auf den Bildern erkenne er definitiv seinen Sohn. "Als ich begriff, dass es die Wahrheit ist, setzte ich mich mit den Militärs seiner Abteilung in Verbindung. Aber dort hieß es nur, man könne weder sagen, dass es stimmt, noch dass es nicht stimmt."

Als er das letzte Mal mit seinem Sohn telefoniert hatte, habe der junge Mann ihm erzählt, er werde zu einer Übung geschickt. Das war am 23. Februar. "Am 25. Februar sollte es zurück nach Moskau gehen."

Mittlerweile habe man in der Einheit seines Sohns der Familie gegenüber bestätigt, dass er in Gefangenschaft sei. Was man unternehme, um ihn zu befreien, wisse er nicht. Das Verteidigungsministerium schweige aber immer noch. "Ich verstehe nicht, was das Ganze von Seite Russlands überhaupt soll. Warum dienen nicht die Söhne der Oligarchen? Wieso werden sie nicht zu Vertragssoldaten?", fragt er verzweifelt.

"Ich will nicht, dass mein Sohn als Kanonenfutter herhält. Aber so sieht es aus. Ich glaube, alle Eltern können meine Lage verstehen. Aber ich verstehe nicht: Wozu das Ganze", fragt er erneut. "Wegen des Landes?"  

Gesichtserkennungssoftware erkennt die beiden Gefangenen

Das Verifikationsteam von stern und RTL konnte bestätigen, dass es bei den beiden Männern, die vom ukrainischen Militär als russiche Gefangene präsentiert werden, tatsächlich um zwei russische Bürger handelt. Auf seinem Profil im russischen Netzwerk Vkontakte, gab Rachmankulow als Arbeitsplatz "Krieg" an. Bei dem zweiten Mann handelt es sich Magomedgadzhi Magomedgazhiev. Auch er ist bei Vkontakte registriert. Eine Gesichtserkennungssoftware führte auf die Profile der beiden Soldaten. 

ivi