Maxim Galkin gehört zu den größten Stars des russischen Show-Business. Jahre lang galt der Komiker und Moderator als unantastbar. Ihm gingen sogar böse Parodien auf Wladimir Putin durch. Doch der Kreml demonstriert nun: Jeder kann vom Olymp gestoßen werden.
Komiker, Moderator und ein begnadeter Parodist – Maxim Galkin hat viele Talente. Seine Beliebtheit und seine Ehe mit der russischen Pop-QueenAlla Pugatschowa verlieh ihm für eine lange Zeit einen Status der Unantastbarkeit. Viele Jahre erlaubte sich Galkin etwas, was in Russland nicht viele Personen des öffentlichen Lebens wagen: Spott über Wladimir Putin und seine Getreuen. Seine genialen Parodien auf den Kreml-Chef durfte Galkin zwar nicht im Staatsfernsehen zum Besten geben. Doch bei seinen Konzerten nahm er keinen Blatt vor den Mund. Wenn Galkin die stockende, verkniffene Sprechweise Putins parodiert, grölen überfüllte Säle vor Lache. Egal ob in Russland, Europa oder USA.
Es ist eine riesige Fangemeinde, auf die sich Galkin stützen kann. Putin selbst soll einmal dazu gehört haben – und beide Augen für die Spötteleien des Megastars zugedrückt haben. Doch damit ist nun Schluss.
Der Krieg in der Ukraine änderte für Galkin alles. Es vergingen nur wenige Stunden, seit die ersten russischen Soldaten die ukrainische Grenze überquerten, bis er sich gegen den Krieg positionierte: "Ich bin seit dem frühesten Morgen in Verbindung mit meinen Verwandten und Freunden in der Ukraine. Es ist nicht in Worte zu fassen, wie ich fühle! Wie ist all das nur möglich! Es kann keine Rechtfertigung für Krieg geben! Nein zum Krieg!", schrieb Galkin auf seinem Instagram-Kanal am ersten Tag des Kriegs.
9,4 Millionen Menschen folgen dem Parodisten in dem sozialen Netzwerk, das in Russland als "extremistisch" gilt und im Zug einer riesigen Zensur-Kampagne blockiert worden ist.
Ahnend was kommen mag, waren Galkin und seine Frau Pugatschowa unter den ersten Stars, die Russland den Rücken kehrten. Wie für tausende russische Bürger mit jüdischen Wurzeln hieß sein Ziel Israel. Der Entertainer stammt aus einer jüdischen Offiziersfamilie. In Israel angekommen, bezieht Galkin auch weiter Front gegen den Krieg und den Kreml.
Am orthodoxen Osterfest richtete der 45-Jährige scharfe Worte gegen die Regierung in Moskau: "Ich kann nicht anders, als einige Fragen zu stellen, die jeder normale Mensch sich stellen muss. Am Vortag des Osterfestes, (...), treffen russische Raketen ein Wohnhaus in Odessa. Eine Familie kommt ums Leben, ein drei Monate alter Säugling stirbt. Wie passt das zusammen? Wie? Erklärt mir das!"
"Russland ist an so vielen schrecklichen Dingen schuld"
"Fangen wir damit an, dass Raketen keine Wohnhäuser zum Ziel haben sollten. Und das auch an Werktagen, und nicht nur an Feiertagen", wagt Galkin eine kleine sarkastische Pointe. "Aber nun höre ich, dass diese ach so genauen Raketen ein Wohnhaus getroffen haben, weil die ukrainische Luftabwehr sie abgeschossen hat." Kopfschütteln. Im Gesicht des Komikers steht bei diesen Worten ein völliges Unverständnis. "Also heißt das, dass die Luftabwehr die Arbeit einstellen muss? Und dann ist alles in Ordnung?"
An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Instagram integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.
"Russland ist an so vielen schrecklichen Dingen schuld. Behauptet aber keine Schuld zu tragen: Die Gräueltaten in Butscha – das waren wir nicht! Die malaysische Boeing – das waren wir nicht! Mariupol dem Boden gleichgemacht – das waren wir nicht! Eine Rakete schlägt in Odessa ein – das waren wir, aber nicht ganz! Alles waren wir nicht!", fasst Galkin den Standpunkt des Kremls zusammen. Seine berechtigte Frage: "Was machen wir aber dann dort?"
Eine Frage, auf die zusammen mit Galkin die Welt keine Antwort bekommt. Stattdessen wird der Komiker zum Staatsfeind erklärt.
Maxim Galkin wird zum "ausländischen Agenten" erklärt
Am vergangenen Freitag nahm das russische Justizministerium Galkin in die Liste der Personen auf, die als sogenannte "ausländische Agenten" klassifiziert werden. Der Komiker sei an politischen Aktivitäten beteiligt und erhalte Finanzmittel oder Unterstützung aus der Ukraine, heißt es als Begründung für diese Entscheidung in einer Mitteilung des Ministeriums.
Personen und Medien, die als "ausländische Agenten" gebrandmarkt werden, müssen ihre Veröffentlichungen mit einem entsprechenden Vermerk versehen sowie dem Justizministerium regelmäßig über ihre Einnahmen und Ausgaben Bericht erstatten. Bei Verstößen drohen Einzelpersonen bis zu fünf Jahre Haft.
Im Juli unterzeichnete der russische Präsident ein weiteres Gesetz zur "Kontrolle der Aktivitäten von Personen unter ausländischem Einfluss", das von der Staatsduma verabschiedet und vom Föderationsrat gebilligt wurde. Das Justizministerium kann nun jeden als "ausländischen Agenten" einstufen, der aus der Sicht der russischen Behörden unter "ausländischen Einfluss" geraten ist. Ein Nachweis einer "Finanzierung aus dem Ausland" ist nicht mehr von Nöten.
"Goldene Elite Russlands": Diese Kreml-Kinder ziehen den "verwesenden Westen" Russland vor
Sohn von Dmitri Medwedew
Ilja Medwedew, der Sohn von Dmitri Medwedew, nimmt im Rahmen des New Wave Song Contest 2018 an einer White Party teil. Während sein Vater, der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates, Europa mit Atomwaffen droht, lebt der Sprössling in den USA, dem verhassten Feind Russlands. Er besitzt die US-Staatsbürgerschaft und betreibt mit seinen 27 Jahren eine Tankstellen- und Supermarktkette.
Die Erklärung zum "ausländischen Agenten" ist bloß der letzte Akt in einem Vergeltungs-Thriller. In den vergangenen Monaten ergoss die Kreml-Propaganda einen ganzen Kübel aus Schmutz und Dreck über Galkin. Seine Konzerte wurden abgesagt. Sein Gesicht von den Fernsehbildschirmen verbannt. Er verlor alle Werbeaufträge. Sein Besitz in Russland soll konfisziert werden. Kremltreue Zeitungen verbreiteten das falsche Gerücht, er sei in Israel in einen Mordfall verwickelt. Seine Frau Pugatschowa sei dem Tod nahe. Er sei ein Verräter.
Die Krönung setzte der Hexenjagd RT-Chefin Margarita Simonjan auf. "Er erlaubt sich solche Sachen, dass ich mir erlaube das zu sagen, was ich schon immer über ihn gedacht habe: Wenn ein Mensch, von dem alle wissen, dass er ein Homo ist, als Ablenkungsmanöver, zur persönlichen Bereicherung, für seine Karriere eine betagte Frau heiratet und sein Auditorium davon überzeugt, dass sie eine wahre Liebe verbindet, dann wird das ganze Aufmaß der Scheinheiligkeit, der Verlogenheit und allgemeiner Qualitäten dieses Menschen deutlich."
Damit spielte die Chefin des Propagandasenders RT auf Galkins Ehe mit der 73-Jährigen Pugatschowa an. "Du bist ein solch verlogener Mensch. (...) Und du erlaubst es dir, mein Vaterland mit Dreck zu bewerfen", echauffierte sie sich weiter in einer Show im Staatsfernsehen.
Dass Galkin tatsächlich homosexuell ist und eine Scheinehe mit Pugatschowa führt, ist ein offenes Geheimnis. Doch wie so oft, spricht in Russland niemand über Offensichtliches. Wie im Fall von vielen anderen Stars geht man schweigend über die Homosexualität hinweg, solange die Betroffenen zu den Publikumslieblingen gehören – und noch wichtiger, solange sie der Kreml-Linie treu sind.
Was geschieht, wenn dies nicht mehr der Fall ist, demonstriert nun der Fall Galkin. Seine Sexualität wird zu Waffe gegen ihn, um ihn vom Olymp des Show-Business zu stoßen. In den letzten Jahren hat die öffentliche Homophobie in Russland große Ausmaße angenommen. Jemanden als homosexuell zu brandmarken, kommt einer öffentlichen Erklärung zum Aussätzigen gleich.
Doch Galkin gab trotz all der Hetze nicht nach. Bei seinen Konzerten attackiert und verspottet er immer wieder die Politik des Kremls – in Lettland, Polen, Israel oder Australien.
Kreml hält ein Türchen für Pugatschowa offen
Seine Auftritte bleiben auch im Kreml nicht ohne Publikum. "Es gibt in der Tat diejenigen, die sich buchstäblich mit völlig obszönen und für alle inakzeptablen Aussagen befleckt haben", giftete Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Anfang September gegen Galkin. "Ich habe keine einzige Aussage von Alla Pugatschowa gehört", sagte er. "Aber ihr Mann hat einige sehr böse Aussagen gemacht, die ich selbst gelesen habe." Galkin und die übrigen Russen würden eindeutig getrennte Wege gehen, so Peskow.
Damit machte Peskow mehr als deutlich klar: Einen Weg zurück nach Russland gibt es für Galkin nicht. Für seine Frau Pugatschowa hält der Kreml aber noch ein Türchen offen. Die russische Queen of Pop reiste er vor kurzem zur Beerdigung von Gorbatschow nach Moskau an. Die Einreise in ihre Heimat soll von ihren Fürsprechern mit dem Kreml ausgehandelt worden sein, wissen Insider zu berichten.