Politische Kommentare in Bildform sind das Markenzeichen von Andrej Budajew. Der Moskauer Künstler hat sich einem Genre verschrieben, das in Putins Russland einen schweren Stand hat: politische Satire. Seit 20 Jahren nimmt Budajew die führenden Politgrößen, Oligarchen, Prominente und solche, die es werden wollen auf die Schippe. Mit digitaler Schere rückt er Meisterwerken der klassischen Malerei, Hollywood-Blockbustern oder Sowjetkünstlern auf den Leib und montiert die Köpfe seiner satirischen Opfer hinein. Politplakate nennt Budajew seine Kunst - stets plakativ, schrill und gewagt.
Und am liebsten persifliert das schwarze Schaf der Moskauer Kunstszene keinen geringeren als Wladimir Putin. Mal brandmarkt Budajew den Kremlchef als Anführer einer Knastbande, mal lässt er Putin symbolträchtig die Enthüllung des eigenen Denkmals beklatschen, mal den Oligarchen Chodorkowski zum Schafott geleiten.
Putin, der martialische Held
Pünktlich zum Jahreswechsel liefert Budajew nun den nächsten Streich. Unter dem Titel "Die Welt ist nicht genug" widmet er seiner Lieblingsfigur einen Kalender. Inspiriert von der Ästhetik der "James Bond"-Filme schlüpft Putin darin in die Hauptrolle und macht sich auf, die Welt sich untertan zu machen. "Putin ist der Held dieses Kalenders, Barack Obama der Antiheld", erklärt Budajew. "Das Jahr 2015 hat den Heldenstatus Putins in Russland gefestigt. Ukraine, Krim, Syrien - Putin gibt überall den starken Mann, der handelt, statt schöne, aber hehle Versprechungen zu machen", sagt der Satiriker dem stern. "Er ist der Held unserer Nation. Wie könnte ich ihn angesichts seiner Erfolge auf der weltpolitischen Bühne anders darstellen?"
Und so bietet Putin bei Budajew in martialischen Szenen Barack Obama die Stirn, konspiriert mit Baschar al Assad und Fifa-Chef Joseph Blatter und verfolgt rigoros ein Ziel: die Weltherrschaft.
Feine Grenze zwischen Satire und Personenkult
Putin als Held, mit stolzgeschwellter Brust, gebieterischem Blick und herrischem Gehabe - so zeigt ihn der neue Budajew-Kalender. Doch ist es noch Satire oder schon blanker Personenkult? Die Grenzen sind bei Budajew manchmal schwierig auszumachen. Er wolle Putin die Aura der Göttlichkeit nehmen, ihn entgöttlichen, sagte Budajew mal vor Jahren in einem "Spiegel"-Interview. Dabei montiert er ihn gerne in eine Reihe mit Göttern, mythischen Helden und historischen Ikonen. Doch es ist gerade die Überhöhung, die die wahre Größe der modernen Helden wie Putin entlarvt.
Russische Patrioten sind Budajew schon manches Mal auf den Leim gegangen und haben seine Werke aufgekauft. Dabei werden in Russland die Putin-Kalender, die der 52-Jährige schon seit zehn Jahren kreiert, höchsten in Duty-Free-Shops der Flughäfen verkauft. "Die Geschäftsbesitzer haben Angst, sie anzubieten", berichtet Budajew dem stern. Russische Zeitungen drucken seine Werke höchstens dann, wenn er Putins Gegenspieler verhöhnt.
Oligarchen mit Selbstironie
Dennoch gelang es dem Polit-Satiriker, eine Fangemeinde aufzubauen. "Die Nachfrage ist groß. Auch aus dem Ausland erhalten wir viele Bestellungen", erzählt Budajew. Sogar der ein oder andere Oligarch hat schon Selbstironie bewiesen und ein personifiziertes Exemplar geordert.
Auch wenn er in Moskau kaum noch einen Saal für eine Ausstellung bekommt, präsentierte Budajew seine Arbeiten bereits in New York, Paris oder Berlin. Jahr für Jahr erwarten seine Fans mit Spannung die neuen Kalender. Wir stellen ihnen den aktuellen Kalender Budajews "Die Welt ist nicht genug" in unserer Fotostrecke vor.