Nazis, Faschisten, Homosexuelle, Transvestiten, Feministinnen: Für die Kreml-Propagandisten gibt es da keinen Unterschied. Das ist kaum zu glauben, aber dennoch wahr. In dem Versuch, die ukrainische Armee zu diskreditieren, wird alles ausgegraben, was die Vorurteile und Ängste der russischen Gesellschaft bedient, die zu einem nicht zu unterschätzenden Anteil in den dunkelsten Zeiten der Menschengeschichte stecken geblieben scheint – und in die der Kreml diejenigen, die sich einen gesunden Menschenverstand bewahrt haben, nur allzu gerne schicken würde.
Die viel zitieren "Bataillone von Homosexuellen", die laut RT-Chefin Margarita Simonjan durch die Ukraine ziehen, und in ihrer Fantasie wohl die Moral der "russischen Befreier" bedrohen, sind nur ein Beispiel der Propaganda-Auswüchse, die dem Publikum eine Aversion sowohl gegen die ukrainischen Streitkräfte als auch Homosexuelle injizieren sollen.
Von Orks und Elfen
Dem Staatssender NTW ist in der vergangenen Woche ein weiteres Propaganda-Meisterwerk gelungen (Das Wort Meisterwerk ist natürlich in Tausend Anführungszeichen zu sehen.) In der Sendung "Mesto Wstretschi" (Treffpunkt) präsentierten die Macher das, was sie als den "Kampf zwischen zwei Welten" bezeichnen. Ganz besonders angetan hat es den Propagandisten das Vokabular von Wladimir Klitschko.
"Der Bürgermeister von Kiew bezeichnet Russen als Orks, darauf anspielend, dass in 'Herr der Ringe' die Orks letztendlich von den wunderbaren, vortrefflichen, freien und wunderschönen Elfen besiegt wurden", beginnt der Moderator Iwan Truschkin das, was er wohl für einen Rundumschlag gegen die ukrainischen Streitkräfte hält.
"Wir zeigen Ihnen nun diese schönen, sehr schönen Elfen und sehen, woher diese Elfen überhaupt kommen", leitet er einen Beitrag mit etwas im Gesicht ein, was ein süffisantes Grinsen sein sollte.
Gezeigt werden ein "Transvestit, der seine Stöckelschuhe abgelegt hat, um als Freiwilliger zur Terrorabwehr zu gehen"; eine "nicht-binäre Person", die zusammen mit einem "Boyfriend" zu den ukrainischen Streitkräften stieß, "ohne Kampferfahrung zu haben", und Feministinnen, die "einen Skandal veranstaltet haben", nachdem ein Bataillon sich geweigert habe, sie aufzunehmen.
All diese "Informellen" – wie in Russland Menschen bezeichnet werden, die auch nur im Geringsten von den traditionellen Rollenmustern abweichen – würden nicht von Ungefähr in die ukrainische Armee strömen. Sie würden im Fall eines russischen Sieges ein Massaker befürchten. Die Europäischen Rat würde man sich vor allem um Transgender Sorgen machen, um gleich darauf hämisch eine Sängerin zu präsentieren, die "es geschafft hat, das Geschlecht, aber nicht den Ausweis zu wechseln".
Der Sänger Max Barskih habe da lieber gleich die Flucht in die USA ergriffen, wird in dem Beitrag behauptet. Obwohl der "Liebhaber von Pailletten und Spitze" versprochen hatte, an die Front zu gehen.
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Die Propaganda macht den einen zum Zaren, den anderen zum Aussätzigen
Dass sich die NTW-Propagandisten über einen Mann lustig machen, der Glitzerkostüme mag, ist an Komik nicht zu überbieten. Angesichts dessen, dass der Mann auf dem Bild unten als Zar des russischen Show-Business gilt.

Philipp Kirkorow heißt er. Seine Homosexualität ist ein offenes Geheimnis. Aber das russische Staatsfernsehen schafft es, einen Homosexuellen zum Zaren zu erheben, und alle anderen zu Aussätzigen zu verdammen.
"Die westlichen Medien zeigen diese wundersamen Elfen, die angeblich gegen die verfluchten Russen kämpfen. Wozu? Um zu zeigen, dass die ukrainische Armee westliche Werte teilt? Aber Warum? Meiner Meinung nach diskreditieren solche Bilder die ukrainische Armee", erklärt der scheinbar frappierte Moderator. Während die Studiogäste mit nachdenklichen Gesichtern seinen Elfen-Ausführen lauschen.
Ihre Antworten sind mindesten genauso entlarvend wie die Frage des glattgeleckten Moderators, der mit feingezupften Augenbrauen und weißgepudertem Gesicht sich äußerlich gar nicht so sehr von seinem Feindbild unterscheidet.
"Solche Menschen" und andere entlarvende Aussagen
Der aus Usbekistan stammende Politiker Boris Nedezhdin behauptet glatt, dass die homosexuellen Elfen eine Erfindung des Westens seien. "Um die Zuschauer davon zu überzeugen, dass solche Menschen in der ukrainischen Armee normal behandelt werden", wirft der Moderator dazwischen ein. "Ja. Der Westen will das Signal senden, dass die Ukraine sich ein wenig von uns unterscheidet. Obwohl die Ukraine und Russland Hunderte von Jahren durch eine Gesellschaft, einen Staat und eine Kirche geeint waren", wiederholt er die Mär, die Wladimir Putin in die Welt gesetzt hat.
Aber nicht nur die "Elfen" seien homosexuell, auch die "großen Kämpfer sind schwul". Wie die Figuren griechischer Legenden, würden sie sich mit ihren Kameraden "paaren". "Das stärkt die Moral", ruft er. Woher er diese Expertise hat, mag sich der ein oder andere Zuschauer fragen.
Neue Welt, alte Mär
Aber der Politologe Anton Chaschenko schafft es, zu der ursprünglichen Frage wieder zurückzukehren: Wozu zeigen westliche Medien diese Elfen? "Weil sowas dort gefällt", sagt er mit Ekel im Gesicht. Außerdem: "Dort sind offene Schwule, die sich so demonstrativ verhalten, sehr reiche Leute."
An wessen ideologischer Grundlage sich hat sich da jemand wohl bedient?