Perlen der Kreml-Propaganda Was tun mit Stars, die Russland den Rücken kehren? Doppel-Agentin Butina hat eine Idee

Maria Butina führt sie für die Kreml-Propaganda einen Feldzug gegen abtrünnige Stars. 
Maria Butina kämpfte lange für die Legalisierung von Handfeuerwaffen in Russland. Heute führt sie für die Kreml-Propaganda einen Feldzug gegen abtrünnige Stars. 
© picture alliance/AP Photo/stern
Maria Butina war für die Kreml-Propaganda einst selbst ein Geschenkt. Die enttarnte Doppel-Agentin ließ sich gut als Märtyrerin in Szene setzen. Heute führt sie einen Feldzug gegen abtrünnige Stars des russischen Show-Business. 

Zugegeben: Maria Butina hat es in Russland zu einer gewissen Bekanntheit gebracht. Mal macht sie Werbung für Ayya, das Smartphone aller russischer Möchtergern-Patrioten. Mal liest sie der inhaftierten Galionsfigur der russischen Opposition, Alexej Nawalny, im Knast die LevitenMal führt sie vor, wie man auf seine Kleidung den Buchstaben Z kritzelt – das Symbol für Putins Krieg. Wer wäre dafür auch besser geeignet als eine verurteilte Doppel-Agentin?

Ja, Maria Butina hat es weit gebracht. Seit 2021 sitzt die 33-Jährige auch noch in der Duma, als Abgeordnete der Region Kirow. Gewählt wurde sie nicht. Der Sitz für die Regierungspartei "Einiges Russland" war vielmehr ein Geschenk der Partei – für die Inbrunst, mit der Butina propagandistische Parolen verbreitet. Und vielleicht auch ein Trostpflaster für all das panierte Hühnchen, das sie in amerikanischer Haft anstelle von Bortsch verschlingen musste, und das ihr bis heute so grauenhaft in Erinnerung ist. 

18 Monate saß Butina in den USA ein. Ihr Vergehen: illegale Agententätigkeit. Das FBI warf Butina vor, von 2015 bis mindestens Februar 2017 unter Anweisung eines russischen Regierungsvertreters in den USA gearbeitet zu haben. Sie habe dabei Beziehungen zu Amerikanern entwickelt und "Organisationen infiltriert, die Einfluss in der amerikanischen Politik haben". Das Ziel sei es gewesen, "die Interessen der Russischen Föderation voranzubringen". Warum das strafbar ist? Weil Butina es nach Angaben des FBI versäumt hat, sich als Agentin bei ihrer Anreise in die USA kenntlich zu machen. Wobei als Agent jeder gilt, der die Interessen eines anderen Staates in den USA vertritt. 

Der Ruf nach Enteignung 

Nach ihrer tränenreichen Rückkehr nach Russland mimte die Waffen-Närrin die Märtyrerin. Nun aber ist sie in eine neue Rolle geschlüpft: die der Verfechterin der Meinungsfreiheit. Was für eine Propagandistin Meinungsfreiheit bedeutet, demonstriert Butina im Staats-TV.  In der Talk-Show "Mesto Wstretschi" (Treffpunkt) diskutiert sie mit anderen Gästen die Frage, wie mit prominenten Persönlichkeiten verfahren werden sollte, die sich gegen den Krieg in der Ukraine positionieren. 

"Es geht um die Frage, ob jemand gezwungen werden kann, Stellung zu beziehen", fängt Butina ihre Replik als Vertreterin der Regierungspartei an. "Ein entsprechendes Gesetz gibt es nicht. Es ist eine Sache, eine Position zu haben. Aber eine ganze andere, verpflichtet zu sein, sie auch zu äußern. Das ist das Recht eines jeden Menschen, zu etwas Stellung zu beziehen oder auch nicht." Hört sich vernünftig an, oder? Doch dann kommt das große Aber.

"Eine ganz andere Angelegenheit ist es, wenn Stars, die hier ihr Kapital gemacht haben und dann (in den Westen) geflüchtet sind, sich öffentlich gegen ihr eigenes Land stellen. Wenn sie zurückkehren wollen, ist es ihr gutes Recht. Aber: Sie können nicht mehr auf Kosten des Staates Geld verdienen. Das wäre einfach amoralisch."

Genauso amoralisch wäre es, wenn die Stars weiter Kapital aus Russland beziehen würden. "Wenn sie weiter Geld von hier pumpen, etwa als Mieteinnahmen oder sonst irgendwas, es in einen fremden Markt investieren und dabei ihr Land hassen, dann sollten ihre Konten einfach gesperrt werden", so der geniale Vorschlag von Butina. 

Meinungsfreiheit gesteht sie also ihren Landsleuten zu – solange sie die Meinung der Regierungspartei teilen. 

Das Objekt der Begierde 

Tatsächlich ist die Idee zur Enteignung von missliebig gewordenen Prominenten nicht der Fantasie von Butina entsprungen. Der Ruf erklang in den vergangenen Monaten immer wieder in der russischen Polit-Szene – vor allem seitens der Parteimitglieder von "Einiges Russland", die sich vor ihrem großen Chef Putin ausdienen wollen. 

Es ist ein gewisser Palast vor den Toren Moskaus, auf den es die Propagandisten besonders abgesehen haben: das Anwesen der russischen Queen of Pop Alla Pugatschowa und ihres Ehemanns Maxim Galkin. Der Komiker und die Sängerin saßen jahrzehntelang auf dem Olymp des russischen Show-Business. Doch der Krieg veränderte alles. Heute gilt Galkin in Russland als "ausländischer Agent" und seine Frau als Verräterin. Die Frage ist: Was macht der Kreml mit ihren Vermögen? Und mit ihrem Palast?

Auf eine Milliarde Rubel wird sein Wert geschätzt. Nach dem aktuellen Kurs sind es 16,4 Millionen Euro. Im September reiste Pugatschowa von Israel nach Moskau, um sich unter anderem um den Verkauf zu kümmern. Doch die russischen Behörden haben sich entschieden, ihr Steine in den Weg zu legen. 

Kreml-Propaganda macht aus Stars Aussätzige

"Ich empfehle niemandem, dieses knallbunte Schloss mit Garcules und einer Batman-Skulptur im Hof ​​zu kaufen. Denn nach einer Weile könnte sich herausstellen, dass es unter den Bulldozer kommt", kommentierte der Abgeordnete Roman Chudjakow die Situation. "Nur ein Vollidiot würde eine Milliarde dafür bezahlen."

Der Mann, der Politiker sein will, stattdessen aber mit seinen skandalösen Auftritten im Staats-TV Reden macht, weiß, woher der Wind weht. "Einige glauben, dass der Palast eine lokale Attraktion ist und man ein Museum daraus machen kann. Museum von wem, sorry?! Einer ehemalige Sängerin, die sich auf ihre alten Tage in einen Vaterlandsverräter verliebt hat und mit ihm zur Kollaborateurin wurde? Nun, sie wird bereits überprüft. (...) Sie ist gerade noch rechtzeitig ausgereist. Und für immer. Genauso wie Maxim."

"Diese Leute müssen von Ressourcen abgeschnitten werden. Weil sie unsere Ressourcen plündern", lautet die Schlussfolgerung einer gewissen Elina Zhgutowa, die in der Talk-Runde mit Butina in dieselbe Kerbe schlägt wie die aufgeflogene ehemalige Doppel-Agentin. "Wenn ein Mensch unsere Ressourcen missbraucht, dann müssen wir ihm den Sauerstoff abschnüren", so die Leiterin der Organisation "Iwan Tee" – einer Organisation, die sich dem Schutz der "traditionellen Werte" verschrieben hat. Da helfe keine Ideologie, auch keine Bestrafung, nur der Schlag gegen das Portemonnaie. "Ganz so wie Maria es vorgeschlagen hat: Konten sperren, alle Ressourcen wegnehmen!" 

"Lasst uns, Galkin den Palast wegnehmen!", ruft da der Moderator begeistert dazwischen. "Ich denke, das ist keine dumme Idee. Zumal wir diese Erfahrung bereits gemacht haben", gibt Zhgutowa zurück. Also zurück zu dem roten Terror der nachrevolutionären Zeiten nach 1917? Massenenteignungen und der "alte gute Gulag", wie ein Propagandist vor einigen Monaten schwärmte. So sehen sie also aus – die "traditionellen Werte" in Zhgutowas Russland. So sieht sie also aus – die Meinungsfreiheit in Butinas Russland.

Alla Pugatschowa ist in Russland eine wahre Institution. Auf dem Pop-Olymp überdauerte sie alle Kreml-Chefs von Breschnew bis Jelzin. Politisch hielt sie sich jedoch stets zurück. Bis jetzt. Mehr dazu lesen Sie hier:

 

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